Venezuela wählt nach Chavez-Tod neuen Präsidenten

Praesidentenwahl Venezuela begonnen
Praesidentenwahl Venezuela begonnenReuters (Tomas Bravo)
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19 Millionen Wahlberechtigte entscheiden über die Bolivarische Revolution. Fast alle Umfragen wiesen bis zuletzt einen zweistelligen Vorsprung für Chávez' "Ziehsohn" Maduro aus.

Knapp sechs Wochen nach dem Krebstod von Präsident Hugo Chavez wählen die Menschen in Venezuela am Sonntag ein neues Staatsoberhaupt. Als Favorit galt der amtierende Präsident Nicolas Maduro, ein politischer Ziehsohn des Linkspopulisten Chavez. Stärkster Rivale war der konservative Oppositionsführer Henrique Capriles, während alle anderen Kandidaten bei dem Urnengang als chancenlos galten. Bis 18.00 Uhr (Ortszeit; 00.30 MESZ) konnten die 19 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben. Fast alle Umfragen wiesen bis zuletzt einen zweistelligen Vorsprung Maduros aus.

Chávez' politisches Erbe

Hugo Chávez ist tot - es lebe Hugo Chávez! Dieses Motto fasst zusammen, weshalb Venezuelas Übergangspräsident Nicolás Maduro als aussichtsreichster Nachfolger des verstorbenen Staatschefs gilt. Chávez' Anhänger halten seinem ausdrücklichen Wunschnachfolger vor allem die Treue, weil er das politische Erbe des charismatischen Linkspopulisten fortführen soll - und nicht etwa, weil der unscheinbare Funktionär und einstige Busfahrer ihre Herzen im Sturm erobert hätte.

Mit zweistelligem Vorsprung in fast allen Umfragen ging der 50-jährige Maduro am Sonntag in das Rennen gegen seinen zehn Jahre jüngeren Konkurrenten, den agilen Oppositionsführer Henrique Capriles. Chávez hatte die Venezolaner vor seiner letzten Krebsoperation aufgerufen, Maduro bei möglicherweise fälligen Neuwahlen ihre Stimme zu geben. Der frühere Gewerkschafter sei "ein Revolutionär durch und durch", sagte Chávez. "Mit seiner starken Hand, seiner Vision, seinem Herzen eines Manns des Volkes" habe Maduro die Fähigkeit zur Führung des Landes.

"Loyalität über den Tod hinaus"

Sein politischer Ziehsohn dankte es ihm und ließ im Wahlkampf keine Gelegenheit aus, sich als Bewahrer des "Chavismo" mit der am 5. März verstorbenen Ikone der lateinamerikanischen Linken zu solidarisieren. "Loyalität über den Tod hinaus" hatte Maduro auf der Trauerfeier des Mannes geschworen, dessen "Bolivarische Revolution" die Armen begeisterte und die Reichen erboste. An der ölfinanzierten Sozialpolitik unter Chávez, keine Frage, werde er bedingungslos festhalten.

Stets treu hatte Maduro auch Chávez' "anti-imperialistischen" Kurs und dessen Unterstützung für Syrien, den Iran und Libyens Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi mitgetragen. Experten zufolge dürfte er diese Beziehungen weiter fördern und noch engere Bande zu Kuba knüpfen, das am Tropf preisgünstiger venezolanischer Öllieferungen hängt - ein Privileg, das Capriles abschaffen wollte.

Vom Busfahrer zum "Kronprinz"

Aus dem Schatten des Machtapparates hinter dem polarisierenden Staatschef, der gerne öffentlichkeitswirksam gegen die "kapitalistischen Feinde" Venezuelas wetterte, trat Maduro erst mit dessen schwerer Krebserkrankung langsam hervor. Zwar hatte Chávez ihn schon nach seinem erneuten Wahlsieg Anfang Oktober zum Vize ernannt, und während der Behandlung des Präsidenten in Kuba führte Maduro de facto auch die Amtsgeschäfte. Doch über ein Charisma wie sein Vorbild verfügt der selbst ernannte "Sohn" und "Jünger" Chávez' nicht.

Im Gegenteil: Die politische Überzeugungskraft des Kronprinzen, der seine Laufbahn als Busfahrer begann, 1999 als Mitglied der Chávez-Bewegung ins Parlament einzog, 2005 Parlamentspräsident und ein Jahr später Außenminister wurde, wirkt überschaubar. Reichlich Spott erntete Maduro, als er berichtete, der verstorbene "Ziehvater" sei ihm im Schlaf als kleiner Vogel erschienen. Und sein Start als Übergangspräsident war holprig: Die Opposition boykottierte die Vereidigungzeremonie, weil sie ihrer Auffassung nach gegen die Verfassung verstieß.

Maduro wählen und an Chavez denken

Von Weggefährten wurde der hochgewachsene und breitschultrige Politiker mit dem markanten Schnurrbart stets als zugänglich und dialogbereit beschrieben. Als Übergangspräsident verschärfte er aber den Ton. So ließ er nach Chávez' Tod zwei US-Diplomaten wegen Vorwürfen der "Destabilisierung" des Landes verweisen und warf Venezuelas "historischen Feinden" vor, hinter der Krebserkrankung seines Vorgängers zu stecken. Den Führer der "dekadenten" Opposition, Gouverneur Henrique Capriles, bezeichnete er als "Prinzen einer parasitären Bourgeosie". Der wiederum bedankte sich, indem er Maduro ein "dickes Hühnchen" schimpfte.

Maduros Vorteil ist das politische Vermächtnis von Chávez', sein Problem vor allem der mangelnde persönliche Rückhalt im Volk. "Ich werde am Sonntag Maduro wählen und dabei an Chávez denken", brachte der Schweißer Richard Avello die Stimmung auf den Straßen von Caracas auf den Punkt. "Überzeugt von dem Typen bin ich aber nicht. Es ist, als würde Dir eine Braut aufgezwungen."

(APA/AFP)

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