Fall Magnitskij: Todesschütze von Israilow auf US-Sanktionsliste

Fall Magnitskij: Todesschütze von Israilow auf US-Sanktionsliste
Fall Magnitskij: Todesschütze von Israilow auf US-Sanktionsliste(c) APA/Hans Klaus Techt
  • Drucken

Politischer Mordfall: Letscha B. soll den Flüchtling Umar Israilow im Jänner 2009 in Wien ermordet haben - er floh nach Tschetschenien. B. ist einer der Namen auf der Magnitskij-Liste.

Moskau/Washington/Wien/Est/Go/Som. „Wir können keine individuellen Fälle kommentieren.“ So lautet die lapidare Antwort aus dem US-Außenministerium auf die Frage der „Presse“, warum der Tschetschene Letscha B. einer der 18 Namen auf der Magnitskij-Liste ist. Letscha B.s Nennung ist für Österreich brisant: Der 1975 geborene Tschetschene ist der mutmaßliche Todesschütze von Umar Israilow.

Israilow war ein ebenfalls aus Tschetschenien stammender anerkannter Flüchtling, der am 13. Jänner 2009 in Wien-Floridsdorf ermordet wurde. Israilow, ein ehemaliger Leibwächter Ramzan Kadyrows, sagte sich später von dem tschetschenischen Präsidenten los und flüchtete nach Österreich. Er brachte am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eine Beschwerde ein, in der er unter anderem Foltervorwürfe gegen Kadyrow erhob; gegenüber den österreichischen Sicherheitsbehörden hatte er vor seinem Tod angegeben, von tschetschenischen Agenten in Wien verfolgt zu werden. Doch er bat die Polizei vergeblich um Personenschutz.

Im Mordfall Israilow wurden in Österreich drei Männer zu hohen Haftstrafen verurteilt: Otto K. soll das Verbrechen geplant, Suleyman D. Israilow ausspioniert, Turpal Y. das Opfer mit dem Schützen Letscha B. verfolgt haben. Doch B. ist flüchtig: Er kehrte nach dem Verbrechen nach Tschetschenien zurück und soll unbestätigten Informationen zufolge zum Milizchef im tschetschenischen Bezirk Nadteretschnyi ernannt worden sein. B. war im Jahr 2005 nach Österreich gelangt und hatte sich vor allem im Raum Steyr aufgehalten. Sein Asylverfahren war negativ entschieden worden. Österreich erließ nach seiner Flucht einen europäischen und später einen internationalen Haftbefehl; sogar die offizielle Adresse in Tschetschenien wurde den österreichischen Behörden von den Moskauer Interpol-Kollegen übermittelt – verbunden mit der Frage, ob die österreichischen Behörden die Strafsache an die „russischen zuständigen Behörden übergeben“ wollten, „damit die Person in Russland strafrechtlich verfolgt werden kann“. Wien bat während des Prozesses die russische Generalstaatsanwaltschaft zwar um Amtshilfe für eine mögliche Vernehmung von Letscha B. als Zeuge, die unbeantwortet blieb. Ein Auslieferungsantrag wurde nie gestellt. Inoffiziell hieß es, dies sei „aussichtslos“.

B. ist einer der Namen auf der „offiziellen“ Liste, die mit Kontosperren belegt sind. Es gibt aber noch eine zweite, geheime Liste, für die ein „Visa-Bann“ gilt. Auf ihr könnten sich einige hohe Beamten befinden. Detailliertere Informationen versagt das US-Außenministerium aber. Ein Beamter des Außenamtes erklärte gegenüber der „Presse“, man werde weder Namen noch die Zahl der Personen nennen. Aber: „Wir hatten unsere Gründe, sie auf die Liste zu setzen.“

Verbrechersyndikat aufgedeckt

Hintergrund der Liste ist der Tod des 37-jährigen Anwalts Sergej Magnitskij, der für William Browders Stiftung Hermitage Capital tätig gewesen ist. Der Brite Browder hat sich in den 1990er-Jahren in russische Konzerne eingekauft und sich mit Zuwächsen von tausenden Prozenten schwindlig verdient.

Als dem Fond mehrere Gesellschaften in Russland gestohlen worden waren, deckte er ein Verbrechenssyndikat von Topbeamten auf, das den russischen Staat um mehrere Milliarden Rubel – umgerechnet 230 Millionen Dollar – betrogen haben soll. In Russland wurde niemand dafür verurteilt. Stattdessen wurde Magnitskij selbst der Steuerhinterziehung beschuldigt. Der Anwalt wurde im November 2009 in Untersuchungshaft genommen, wo er kurz später wegen unterlassener medizinischer Hilfe verstarb. Auch Folter soll zur Anwendung gekommen sein.

Nach Magnitskijs Tod setzte sich Browder dafür ein, dass die verantwortlichen Beamten bestraft werden. Browder vermutet übrigens, dass ein kleiner Teil der abgezweigten Geldsumme (150.000 Dollar) im Jahr 2008 nach Österreich gekommen ist und hier über das Konto eines Welser Unternehmens „gewaschen“ wurde („Die Presse“ berichtete). Die Staatsanwaltschaft Wels hat das Verfahren im Februar 2013 allerdings „mangels Nachweisbarkeit“ eingestellt.

Das durch die amerikanische Magnitskij-Liste Anwachsen der Causa zu einem internationalen Skandal hat Russlands Establishment völlig verblüfft. Gewiss, zu Beginn der Causa vor drei Jahren ist man in den russischen Machtzirkeln noch unterschiedlicher Meinung über das weitere Vorgehen gewesen. Das habe auch mit Dmitrij Medwedjew zu tun gehabt, der als damaliger Interimspräsident Hoffnung auf ein liberales Tauwetter verströmt hat, erklärt Alexej Makarkin vom Moskauer Zentrum für Politische Technologien. Unter Medwedjew wäre es vielleicht möglich gewesen, dass Russland ein paar Beamte vor Gericht bringt. Letztlich kam es anders. Die Rückkehr Putins und seiner Mannschaft von Hardlinern in den Kreml brachte die Wende: „Für Putin stand fest, dass Russlands Feinde diese Geschichte international aufgebauscht haben“, sagt Makarkin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.