Rückschlag für den „Thronfolger“ von Hugo Chávez: Nicolás Maduros Angelobung wird von einer Überprüfung der Wahl überschattet.
Buenos aires/Caracas. Es war eher eine Veranstaltung im kleinen Kreis, eine Fiesta unter Amigos. Zur offiziellen Amtseinführung des am Sonntag mit knapper Mehrheit zum neuen Präsidenten gewählten Nicolás Maduro erschienen am Freitag vor allem jene Regierungen, die darauf hoffen müssen, dass Venezuelas Großzügigkeit auch trotz dessen miserabler Wirtschaftslage nicht versiegt: Kuba, das jedes Jahr etwa Öllieferungen im Wert von sechs Milliarden Dollar geschenkt bekam. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández reiste an, auch sie ist der bolivarianischen Republik zum Dank verpflichtet, hatte deren verstorbener „Comandante“ Hugo Chavéz ihr doch sieben Milliardenkredite gegeben, als niemand sonst Argentinien Geld leihen wollte.
Aus dem Iran reiste Mahmoud Ahmadinejad bereits zum achten Mal nach Caracas, er musste auf alle Fälle sicherstellen, dass Venezuelas Banken weiterhin das internationale Finanzembargo gegen sein Land zu umgehen helfen. Und auch China entsandte eine Delegation. Dem Reich der Mitte liegt an einem ungestörten Geschäftsklima, denn es hat in den vergangenen Jahren mehr als 40 Milliarden Dollar in Venezuela investiert und Öllieferungen für zehn Jahre im Voraus bezahlt – mit stattlichem Preisnachlass, versteht sich. Zudem erschienen die Präsidenten Boliviens, Ecuadors und Uruguays.
Die USA und die EU nahmen nicht am Festakt teil. Beide unterstützten nach dem knappen Wahlausgang die Forderung der Opposition, die am vergangenen Sonntag abgegebenen Stimmen nachzuzählen. Auch Venezuelas nationaler Wahlrat CNE stimmte gestern überraschend diesem Wunsch der Opposition zu. Bisher seien bereits 54 Prozent der abgegebenen Stimmen kontrolliert worden, nun wolle man auch die restlichen 46Prozent überprüfen, hieß es. Die Wahlbehörde machte allerdings keine Angaben dazu, wie genau die Überprüfung ausfallen soll – ob etwa die Stimmen händisch ausgezählt werden, wie es die Opposition fordert. Von den fünf Mitgliedern des nationalen Wahlrats sind vier treue Chavisten.
„Was, wenn ich durchdrehe?“
Der Oppositionskandidat Henrique Capriles jedenfalls begrüßte die Entscheidung: „Damit sind wir dort, wo wir hinwollten.“ Capriles agiert zunehmend defensiv: So hat er eine für vergangenen Mittwoch geplante Großdemonstration abgesagt und sich stattdessen zurück in der Regierung des Bundesstaates Miranda gemeldet, deren Gouverneursposten er Ende Dezember verteidigt hat. Die Regierung in Caracas behauptet, während Protesten nach dem Wahlabend habe es mehrere Tote gegeben, und sie macht Capriles dafür verantwortlich. Am Mittwoch verlautbarte der Oppositionschef Leopoldo López, ein Strafsenat habe bereits Haftbefehle gegen ihn und Capriles vorbereitet, die nur auf Maduros Zustimmung warten.
Mehrmals täglich erschien Maduro auf Cadena Nacional, der nationalen Senderkette, für die alle Radio- und TV-Stationen des Landes zusammengehängt werden. In einer fragte er: „Was, wenn ich durchdrehe?“ Maduro und seine Getreuen signalisieren, dass sie keinesfalls gewillt sind, ihre Machtposition zu räumen.
Parlamentspräsident Diosdado Cabello verweigert in der Nationalversammlung all jenen Parlamentariern das Rederecht, die Maduros Wahl nicht anerkennen, also allen Abgeordneten der Opposition. „Sollen die halt auf Globovisión reden!“, ätzte Cabello mit Verweis auf den letzten verbliebenen regierungskritischen TV-Sender. Dessen Tage sind gezählt, weil die Besitzer – unter der Last mehrerer Millionenklagen – die Station an regierungsfreundliche Kreise verkauft haben. Den anderen – aus Opportunismus seit Jahren auf die Ausstrahlung von Telenovelas beschränkten – Privatkanälen verpasste Maduro persönlich eine Breitseite: Televén y Venevisión „müssen sich entscheiden und demonstrieren, dass sie auf Seiten des Vaterlandes stehen“. Den drei oppositionellen Bundestaatsgouverneuren, darunter Capriles, kündigte Maduro an, sie künftig zu ignorieren und Bundesmittel direkt an untergeordnete Verwaltungsorgane anzuweisen.
Auf einen Blick
Venezuelas nationale Wahlbehörde (CNE) hat der Forderung der Opposition zugestimmt und wird alle Stimmen der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag überprüfen. Bisher wurden 54 Prozent der abgegebenen Stimmen kontrolliert. Nun sollen auch die restlichen 46Prozent überprüft werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2013)