Geburtsstunde der französischen "Tea Party"

Kampf gegen die Homo-Ehe. Die Komikerin Frigide Barjot will mit ihren Mitstreitern weiterhin auf die Straße gehen.
Kampf gegen die Homo-Ehe. Die Komikerin Frigide Barjot will mit ihren Mitstreitern weiterhin auf die Straße gehen.(c) Reuters (JACKY NAEGELEN)
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Auch nach der Absegnung der Homo-Ehe durch das französische Parlament setzen Gegner ihre Proteste fort. Die Galionsfigur des Anti-Hollande-Sammelbeckens ist eine schrille Komikerin. Sie geht jetzt in die Politik.

Paris. Die Abstimmung in Frankreichs Nationalversammlung war deutlich: Mit 331 zu 225 Stimmen wurde die „Homo-Ehe“ verabschiedet. Die bürgerliche Opposition hat sogleich eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, deren Chancen aber eher gering eingeschätzt werden. Das Ende der Parlamentsdebatte wird die Gegner der Homo-Ehe nicht davon abhalten, ihren hartnäckigen Widerstand dagegen fortzusetzen, weil diese ihrer Meinung nach „unheilvolle Auswirkungen“ auf die Familie und kommende Generationen haben werde. Und auch sonst wird diese heftige Auseinandersetzung in der französischen Gesellschaft und Politik Spuren hinterlassen.

Präsident François Hollande und seine Linksregierung haben womöglich in den beiden Parlamentskammern einen Pyrrhussieg erfochten, über den sie sich nicht so recht freuen mögen. Die Staatsführung ist durch die massive Ablehnung ihres Gesetzes auf der Straße derart unter Druck geraten, dass die regierende Linke sich nun in der Defensive befindet.

Gescheiterte Sängerin

Hollande dürfte es sich in den kommenden Monaten zweimal überlegen, bevor er mit einer gesellschaftspolitischen Reform erneut einen Konflikt riskiert, in dem er mit denselben konservativen Kräften konfrontiert sein dürfte: Das gilt für den besonders umstrittenen Zugang zu den medizinischen Technologien der künstlichen Befruchtung. Hollande hat diese Frage aus seinem Gesetz ausgeklammert und möchte dazu ein Gutachten des nationalen Ethik-Komitees. Problematischer erscheint im neuen Kontext nun aber auch die von den Rechten bekämpfte Einführung des lokalen Ausländerstimmrechts.

Mit der Durchsetzung seines Wahlversprechens Nummer 31, Homo-Ehe und Adoptionsrecht für Homosexuelle, wollte Hollande eigentlich auf einfache Weise einen politischen Erfolg erzielen und von dringenderen Problemen – Rezession und steigende Arbeitslosigkeit – ablenken, für die der Präsident bisher kein Rezept gefunden hat. Stattdessen hat das Gesetz „Heirat für alle“ am Ende alle Gegner der Regierungspolitik vereint.

Die Bewegung gegen die Homo-Ehe hat in den vergangenen Wochen immer mehr die Züge eines Sammelbeckens aller mit dem Regierungskurs Unzufriedenen angenommen. Politologen ziehen darum bereits einen Vergleich mit den Anfängen der „Tea Party“-Bewegung in den USA.

Die Galionsfigur der Homo-Ehe-Gegner in Frankreich, Frigide Barjot, glaubt an einen Fortbestand der Bewegung. Barjot ist eine studierte Politikwissenschaftlerin, die sich nach einer gescheiterten Karriere als Sängerin selbst als Humoristin bezeichnet. Sie hat es mit ihrem unkonventionellen Look einer frivolen Partygängerin verstanden, der Bewegung ein buntes Aussehen zu verleihen. Barjot wollte damit verhindern, dass wegen der Ablehnung der Homo-Ehe diese Demonstrationen gegen Hollandes Vorhaben als „homophob“ und generell reaktionär abgestempelt würden.

Unter dem Eindruck ihrer eigenen plötzlichen Berühmtheit hat Barjot nun angekündigt, sie wolle bei den Gemeindewahlen 2014 eigene Listen aufstellen. Angesichts der doch sehr heterogenen politischen Zusammensetzung der Front gegen die Homo-Ehe dürfte das sehr schwierig sein. Barjot möchte aber dafür sorgen, dass man auch noch in einigen Wochen von der Homo-Ehe spricht, wenn andere längst wieder zur Tagesordnung übergehen wollen.

Zusammenstöße mit der Polizei

Vor der Schlussabstimmung in der Volksvertretung protestierten die Gegner der Homo-Ehe jeden Abend mit Mahnwachen und Kundgebungen vor den Parlamentsgebäuden. Dabei kam es auch immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei. Offensichtlich wurde da auch der Einfluss gewisser, sonst als marginal eingestufter rechtsradikaler Gruppen, die bewusst eine Eskalation des Konflikts anstreben.

Zwei Tage vor der Abstimmung hatten am Sonntag erneut fast hunderttausend Menschen in Paris friedlich demonstriert. Erstmals sah man dabei Spitzenvertreter der bürgerlichen UMP Seite an Seite mit Politikern des Front National FN hinter demselben Spruchband. Das wurde vom UMP-Parteichef Jean-François Copé als „Fehler“ bezeichnet. Einen Schulterschluss mit der UMP dementierte auch FN-Chefin Marine Le Pen.

Auf einen Blick

Frankreichs Parlament hat mit 331 zu 225 Stimmen ein Gesetz verabschiedet, das gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Ehe und die Adoption von Kindern zusichert. Die Gegner der Homoehe waren dagegen seit Monaten auf die Straße gegangen. Ihre Galionsfigur ist eine ehemalige Sängerin mit dem Künstlernamen
Frigide Barjot. Sie will jetzt bei
den Gemeindewahlen antreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2013)

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