US-Verdacht: Assad setzt Giftgas ein

Zerstörungen in Syrien
Zerstörungen in SyrienREUTERS
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Die amerikanischen Geheimdienste vermuten, dass die Regierungstruppen in Syrien kleine Mengen des Nervengases Sarin verwendet haben.

Die Indizien verdichten sich, dass der syrische Machthaber Bashar al-Assad chemische Massenvernichtungswaffen gegen die Aufständischen einsetzt. Am Donnerstag folgte die amerikanische Regierung den Beispielen von Großbritannien, Frankreich, Israel und Katar und veröffentlichte ihre Einschätzung, wonach Assads Truppen das Nervengas Sarin in „kleinem Rahmen" eingesetzt haben dürften. „Das verletzt jegliches Abkommen über die Kriegsführung", warnte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel während eines Treffens mit den politischen Führern von Abu Dhabi.
In einem Brief an die Senatoren John McCain und Carl Levin (die wichtigsten Außenpolitiker der beiden Parteien im Kongress) fasst Miguel E. Rodriguez, der juristische Berater von Präsident Barack Obama, den Erkenntnisstand der Geheimdienste zusammen.

Lehren aus dem Irak-Debakel

Rodriguez betont aber mit Nachdruck, dass die Vermutungen über den Giftgaseinsatz noch nicht ausreichend bestätigt seien. „Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, und angesichts dessen, was wir aus unseren jüngsten Erfahrungen gelernt haben, sind geheimdienstliche Einschätzungen nicht ausreichend", schreibt Rodriguez. „Nur glaubwürdige und belastbare Tatsachen" könnten die Entscheidungen der amerikanischen Regierung leiten: ein Hinweis darauf, dass Obamas Vorgänger George W. Bush vor genau zehn Jahren den Irakkrieg auf Basis von teils mutwillig gefälschten geheimdienstlichen Angaben über angebliche Massenvernichtungswaffen in den Händen von Saddam Hussein begonnen hatte. Diese Waffen wurden nach dem Einmarsch der anglo-amerikanischen Truppen allerdings nie gefunden.
Obama hat mehrfach betont, dass das Regime von Assad eine „rote Linie" überschreite, würde es Massenvernichtungswaffen einsetzen. Wie die USA dann zu reagieren gedächten, ließ der Präsident dabei stets im Vagen. Eine direkte Intervention amerikanischer Bodentruppen ist so gut wie unwahrscheinlich; denkbarer wäre die Zerstörung vermuteter Lagerstätten für das Giftgas, sollte sich der Verdacht bestätigten und Assad nicht von sich aus einlenken.
Mehrere Sicherheitsexperten werten den veröffentlichten Brief des Weißen Hauses an die beiden Senatoren allerdings als Mittel, um im Rahmen der Vereinten Nationen Druck auf das syrische Regime zu machen, Chemiewaffeninspektoren ins Land zu lassen.

Hilfe von Nordkorea und Iran

„Dieses Statement der US-Regierung fällt insofern in dieselbe Kategorie der britischen und französischen Statements zu Beginn dieser Woche", sagte die Chemiewaffen-Expertin Amy E. Smithson vom James Martin Center for Nonproliferation Studies in Washington auf Anfrage der „Presse".
Smithson betont, dass einiges an der geheimdienstlichen Einschätzung rätselhaft sei. So habe es zum Beispiel militärisch wenig Sinn, Giftgas nur in kleinem Rahmen einzusetzen. Sein taktischer Nutzen liegt eher darin, dem Gegner großflächige Verluste zuzufügen. Auch sei offen, welche „physiologischen" Proben die US-Dienste gezogen hätten. „Ob das tierische oder menschliche Blutproben waren, wissen wir nicht."
Wie viel Sarin und sonstige chemische und biologische Kampfstoffe Assads Regime hat, sei unbekannt: „Wer eine Zahl nennt, lehnt sich sehr weit heraus. Bestätigt hingegen sei sehr wohl, dass Iran und Nordkorea dem syrischen Regime in den 1980er-Jahren bei der Entwicklung dieser Massenvernichtungswaffen geholfen habe. „Die USA und ihre NATO-Alliierten müssen ziemlich schwere Entscheidungen fällen, wie man den Einsatz chemischer Waffen beendet, bevor er ausufert", warnte Smithson.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2013)

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