Polizei verhörte Tsarnaev-Verwandte

Polizei verhoerte TsarnaevVerwandte
Polizei verhoerte TsarnaevVerwandte(c) REUTERS (STRINGER)
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Behörden befragen in Österreich lebende Cousins und Cousinen der Boston-Attentäter. Verwandte hatten zu den Brüdern aber kaum Kontakt.

Graz/Moskau. Seit Wochenbeginn zeigt die österreichische Polizei großes Interesse an der Verwandtschaft der Attentäter von Boston. In der Steiermark, in Niederösterreich und in Wien leben fünf Cousins und Cousinen von Ansor Tsarnaev, dem Vaters von Tamerlan und Dzohar Tsarnaev. Anders als vom Wiener Innenministerium kommuniziert, gingen diese Verwandten, denen nichts vorgeworfen wird, nicht selbst zur Polizei.

Im Gegenteil: Am Dienstag wurde Achmed M. zu einem längeren Gespräch in eine Polizeidienststelle in der Grazer Innenstadt gebeten. Und am Mittwoch wurde ein weiterer Verwandter in St. Pölten von der Polizei aus dem Bett geläutet.

Viele Erkenntnisse zum Anschlag dürfte diese österreichischen Befragungen jedoch nicht gebracht haben. Von der mutmaßlichen Rolle der Brüder hat auch die Familie aus den Medien erfahren. Und abgesehen vom schlimmen Verdacht gegen zwei Familienmitglieder handelt es sich um eine typische Großfamilie der tschetschenischen Diaspora, die in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten wegen zweier Kriege rund um den Erdball zerstreut wurde.

Ein wenig Kontakt zum Vater

Befragt wurde unter anderem der Mittvierziger M., der 2003 nach Österreich floh und in der Steiermark ein Lebensmittelgeschäft betreibt. Bei M.s Befragung interessierte sich die Polizei vor allem für die Beziehungen zu den Attentätern. Nur waren und sind diese kaum vorhanden: Das letzte Mal habe er die Brüder als Kinder gesehen, erzählt M. Zum Cousin Ansor, dem in Dagestan lebenden Vater der Bostoner Brüder, habe es etwas mehr Kontakt gegeben – dieser habe seine Kinder stets für ihre Lernerfolge gelobt. Gerade deshalb und „weil sie es nicht nötig hatten“ will M. – wie auch andere Angehörige – die Geschichte nicht recht glauben: „Vor diesem Albtraum sind wir ja davongelaufen. Wir haben unsere Häuser, Heimat und Eltern verlassen, damit unsere Kinder normal aufwachsen können. Niemand kann Terrorismus gutheißen.“

Die Behörden konfrontierten M. zudem mit den früheren Aufenthalten Tamerlan Tsarnaevs für Boxtraining in Österreich. M. versichert, dass die Verwandtschaft nichts davon gewusst und es keine Treffen gegeben habe. Verwundert zeigt sich der steirische Tschetschene über das detaillierte Vorwissen der Ermittler zu Familienzusammenhängen.

Da es sich beim Vater der Attentäter um M.s Cousin mütterlicherseits handelt und in österreichischen Quellen die genauen Beziehungen auch kaum zu recherchieren sein dürften, sind Informationsflüsse aus den USA oder möglicherweise auch Russland denkbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2013)

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