Sieg der Konservativen stoppt Islands Weg in die EU

Sieg Konservativen stoppt Islands
Sieg Konservativen stoppt Islands(c) REUTERS (SIGTRYGGUR JOHANNSSON)
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Die Isländer haben an den Urnen die bisherige rot-grüne Koalition aus dem Amt gefegt. Wahlsieger Benediktsson von der bürgerlichen Unabhängigkeitspartei will die EU-Beitrittsverhandlungen seines Landes abbrechen.

Kopenhagen/Reykjavik. Island wird in absehbarer Zeit nicht der EU beitreten. Die Parlamentswahl am Wochenende zog mit dem erwarteten Machtwechsel zugunsten der bürgerlichen Opposition einen Schlussstrich unter die Ambitionen der bisherigen Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurđardóttir, ihr Land in die Union zu führen. Der Konservative Bjarni Benediktsson, der vermutlich neuer Premier werden wird, will die Beitrittsverhandlungen abbrechen.

Gut vier Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise, in der Island als erstes europäisches Land an den Rand des Staatsbankrotts schlitterte, stellt das Wählervotum nun die politischen Machtverhältnisse völlig auf den Kopf. Die konservative Unabhängigkeitspartei, bei den letzten Wahlen für ihre Mitschuld am Bankendebakel abgestraft, kehrt in ihre angestammte Position als größte Partei zurück, wenngleich sie mit 26,7 Prozent und 19 Mandaten noch deutlich unter früheren Werten liegt. Gemeinsam mit der bäuerlich-liberalen Fortschrittspartei, die um fast zehn Prozentpunkte auf 24,4 Prozent und gleichfalls 19 Sitze zulegte, verfügt das bürgerliche Lager über eine klare Mehrheit in dem aus 63 Abgeordneten bestehenden Althing in Reykjavik. „Die Pflicht ruft uns wieder“, kommentierte der 43-jährige Benediktsson das Resultat.

„Ergebnis ist unfair“

Die rot-grüne Koalition, vor vier Jahren als Retter gerufen, verlor hingegen mehr als die Hälfte ihrer Wählerschaft: Sigurđardóttirs Sozialdemokraten haben mit 12,9 Prozent nur noch neun statt 20 Mandate, die Links-Grünen mit 10,9 Prozent sieben statt 14 Sitze. Die 70-jährige Ministerpräsidentin, die nach 35 Jahren im Parlament diesmal nicht mehr kandidierte, bezeichnete die Niederlage als „zutiefst enttäuschend“ und angesichts des von der Regierung durchgeführten wirtschaftlichen Wiederaufbaus als „unfair“. Internationale Finanzexperten loben ihr Sanierungsprogramm. Die isländischen Wähler aber sehen die Lasten ungerecht verteilt und hörten lieber auf die Konservativen, die Steuersenkungen ankündigten, und die Fortschrittspartei, deren Vorsitzender Sigmundur Gunnlaugsson mit dem Versprechen, die Hypothekenlast aller verschuldeten Haushalte um 20 Prozent zu mindern, die bisher höchsten Gewinne der Partei erzielte.

Von insgesamt 15 großteils neuen Parteien zogen auch die EU-freundliche Helle Zukunft mit 8,2 Prozent und sechs Sitzen und die von der WikiLeaks-Aktivistin Birgitta Jónsdóttir geführten Piraten (5,1 Prozent, drei Sitze) ins Parlament ein. Sollten die Regierungsverhandlungen von Konservativen und Liberalen wider Erwarten scheitern, gilt auch eine Koalition aus Fortschrittspartei, Sozialdemokraten und Heller Zukunft unter Gunnlaugssons Führung als mögliche Alternative.

Sorge wegen Südeuropa

Keinerlei Aussicht gibt es hingegen auf einen baldigen EU-Beitritt. Die Zustimmung einer Mehrheit der Bevölkerung für die EU unmittelbar nach der Krise verschwand im Gleichtakt mit der heimischen Sanierung, dem Zwist mit Brüssel um die Entschädigung von Bankkunden und um die Makrelenfischerei und nicht zuletzt mit den wachsenden Problemen der südeuropäischen EU-Mitglieder. Im neuen Parlament stehen nur noch 15 der 63 Abgeordneten für eine EU-freundliche Linie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2013)

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