Ressourcen: Israel steigt zu einer Gasmacht auf

Israels Marine macht sich Sorgen um die Sicherheit der Gasplattform „Tamar“.
Israels Marine macht sich Sorgen um die Sicherheit der Gasplattform „Tamar“.(c) REUTERS (AMIR COHEN)
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Die Gasfelder vor der Küste Haifas machen Israel unabhängig von Energieimporten aus Ägypten. Mit dem Aufstieg Israels zur Gasmacht werden die Karten regional und geostrategisch neu gemischt.

Jerusalem. Gerade einmal fünf Wochen lang pumpt Israel Gas aus einer ergiebigen Quelle vor der Küste Haifas, und schon kursieren ambitionierte Pläne, wie die Profite angelegt werden sollen. Ein Naturgasfonds nach norwegischem Modell schwebt Energie- und Wasserminister Silvan Schalom vor Augen. Jüngst besprach er die Angelegenheit mit seinem Amtskollen Ola Borten Moe aus Oslo. Schalom gefällt die norwegische Perspektive. Er will „zum Nutzen der Bürger Israels“ einen Teil der Einkünfte beiseitelegen.

90 Kilometer vom Festland entfernt liegt das Gasfeld Tamar, das rund 240 Milliarden Kubikmeter Erdgas birgt. Die frohe Botschaft von der reichen Ausbeute erreichte Israel vor vier Jahren, nur um kurz darauf noch übertroffen zu werden. Das Gasfeld Leviathan, wenige Kilometer westlich von Tamar, verspricht ein Vorkommen von über 450 Milliarden Kubikmeter Gas. Ab 2016 soll die Ausbeutung des Leviathans (zu Deutsch: Wal) beginnen. Beide Felder zusammen bergen genug Rohstoff, um Israel für die kommenden 150 Jahre zu versorgen, rechnen Wirtschaftsexperten. Doch es eröffnen sich auch Exportmöglichkeiten.

US-Unternehmen mit an Bord

Mit von der Partie ist neben zwei israelischen Firmen das US-Energieunternehmen „Noble Energy“. Die Gewinne von Tamar sollen mit 50 Prozent versteuert werden, die des Leviathan mit rund 60 Prozent. Als „Rettungsseil für Israels Industrie“ bezeichnete der „Haaretz“-Wirtschaftsjournalist Nehemia Shtrasler den Gasfund. Ohne Tamar und Leviathan wäre das Wachstum auf 2,8 Prozent geblieben, „im Grenzbereich zum Rückgang“. Doch mit den zu erwartenden Profiten aus dem Gas könnte Israels Wirtschaft sogar um 3,8 Prozent wachsen. Shtrasler rechnet mit mehr Arbeitsplätzen und höherem Lebensstandard für die Israelis. Die staatlichen Einnahmen aus der Gasförderung „werden es möglich machen, weniger Steuern von uns zu kassieren und mehr Geld für den privaten Konsum übrig zu lassen, was wiederum die Räder der Wirtschaft in Gang setzt“, schreibt er.

Sicher ist, dass mit Israels Aufstieg zur Gasmacht einige Karten neu gemischt werden. Die ungewohnte Ressourcenunabhängigkeit ist ein wichtiger Faktor für die Sicherheit des Landes, das bisher nahezu komplett auf den Import von Energie angewiesen war. 40 Prozent des Stroms werden schon heute aus Gas produziert, und es soll mehr werden. Israel ist gewappnet für den Fall, dass in Krisensituationen Rohstofflieferungen ausfallen. Bis zum Arabischen Frühling deckte das Land 40 Prozent des landesweiten Gasverbrauchs mit Importen aus Ägypten. Das Ausbleiben vom nachbarlichen Gas führte zu Preissteigerungen und Energiekrisen, die Israel mit teureren Alternativen auffangen musste.

Die derzeit diskutierte Möglichkeit eines Exports könnte den Wettbewerb auf dem europäischen Markt ankurbeln. Fast drei Viertel der österreichischen Gasimporte stammen etwa aus Russland. Algerien hat als Ausweichpartner spätestens mit dem Geiseldrama vor drei Monaten an Attraktivität eingebüßt. Israel käme der EU als zuverlässiger Gaslieferant also gerade recht.

Auf Tuchfühlung mit der Türkei

Zwar ist noch offen, ob überhaupt exportiert werden soll, doch schon jetzt gehen die Israelis auf Tuchfühlung mit Zypern, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu evaluieren. Die gemeinsame Entwicklung von Anlagen zur Verflüssigung des Gases und eine Pipeline sind im Gespräch. Denkbar wäre auch der Export via Türkei, wenn die seit drei Jahren kriselnden Beziehungen nur erst wieder stabiler sind. Die beiden Staaten nahmen unlängst Verhandlungen über Wiedergutmachungszahlungen für die Opfer der Mavi Marmara auf. Auf dem türkischen Passagierschiff waren im Mai 2010 neun Menschen ums Leben gekommen, als israelische Marinesoldaten das Schiff erstürmten.

Was den Israelis indes Kopfschmerzen bereitet, ist die Verletzbarkeit der Pipelines und überhaupt der gesamten Anlage. Die libanesischen Extremisten der Hisbollah könnten einen Angriff auf dem Wasser oder aus der Luft lancieren. Israels Marine meldet schon jetzt Bedarf an, ihr Arsenal aufzustocken. Neue Schiffe seien nötig, um die riesigen Gasfelder zu bewachen. Unklar ist zudem der Grenzverlauf zwischen Israel und dem Libanon jenseits der Küste. 850 Quadratkilometer sind aus Mangel an einer maritimen Demarkationslinie bis heute umstritten. Die beiden Gasfelder Tamar und Leviathan liegen günstigerweise deutlich südlich davon.

Auf einen Blick

Israel begann vor fünf Wochen vor seiner Küste das Gasfeld „Tamar“ auszubeuten. Es birgt geschätzte 240 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Fast doppelt so viele Ressourcen werden im Gasfeld „Leviathan“ vermutet, das ab dem Jahr 2016 angezapft werden soll. Mit beiden Lagerstätten könnte Israel seinen Gasbedarf für die nächsten 150 Jahre decken.
Bisher deckte das Land seinen Gasverbrauch zu 40 Prozent mit Einfuhren aus dem benachbarten Ägypten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2013)

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