Cécile Kyenge: „Italien ist kein rassistisches Land“

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Ccile Kyenge bdquoItalien kein(c) REUTERS (TONY GENTILE)
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Cécile Kyenge, Italiens erste schwarze Ministerin, lässt sich von Anfeindungen nicht beirren. Die gelernte Augenärztin will „die Verhältnisse ändern, ohne zu schreien“. Ein Portrait.

Rom. Natürlich sind sie über sie hergefallen, die üblichen Verdächtigen: die Rechtsextremen von der Lega Nord und die „mutigen“ anonymen Hetzer im Internet. Aber Cécile Kyenge, Italiens erste schwarze Ministerin und erste schwarze Parlamentsabgeordnete, lässt sich nicht beirren: „Das ist nicht die Mehrheit, das sind notwendige Begleiterscheinungen, wenn ein Land sich auf den Weg macht.“ Italien, versichert die 48-Jährige, sei kein rassistisches Land. Es sei immer aufnahmebereit gewesen: „Man kennt sich gegenseitig nur nicht gut genug.“

Und dann erzählt sie „aus meinem Land“, aus der Region Emilia, wo sie wohnt, und wo zwei Erdbeben vor einem Jahr viele obdachlos gemacht und in Zeltlager gezwungen haben: „Da mussten wir zwangsläufig zusammenfinden.“

In der neuen Regierung ist Cécile Kyenge also Ministerin für Integration, und wenn sie da vorn sitzt bei ihrer ersten Pressekonferenz, allein, ohne politischen Aufpasser, der irgendwelche unerfahrenen Äußerungen sofort zurechtzupfen würde, dann merkt jeder: Das ist keine Alibifrau. Seit zehn Jahren treibt sie Politik, in Stadt und Kreis Modena, in den nationalen Ausländer- und Frauenrechtsräten der Sozialdemokraten. „Zivile Verantwortung übernehmen“ nennt sie das. „Ich bin Italo-Kongolesin, es stecken zwei Kulturen in mir“, sagt Kyenge.

Geboren wurde sie 1964 im damaligen Zaire, ihr Vater hatte vier Frauen und 37 Kinder. Nach Italien zog sie 1983, weil sie Medizin studieren wollte und die Katholische Universität in Rom ein Stipendium versprochen hatte. Daraus wurde aber nichts: Es war nur mündlich vereinbart gewesen, und Kyenge musste sich auf eigene Faust durchschlagen. Kirchliche Frauenkreise förderten sie, ihr Studium schloss sie mit Spitzennoten ab. Und weil sie, damals noch keine italienische Staatsbürgerin, nicht als Augenärztin arbeiten durfte, ging sie als Ehrenamtliche für zwei Jahre nach Zimbabwe.

Jetzt will sich Kyenge – Katholikin, verheiratet mit einem Italiener, Mutter zweier Töchter – unter anderem dafür einsetzen, dass alle in Italien Geborenen die Staatsbürgerschaft bekommen. So wollen es auch der Staatspräsident und in der Großen Koalition zumindest die Sozialdemokraten.

Alfano und Letta: „Sind stolz“

„Man kann die Verhältnisse ändern, ohne zu schreien“, sagt sie. Aber nur für Ausländer allein will sie nicht tätig sein, in diese Schublade will sie sich nicht stecken lassen. Ihre erste „Integrationsleistung“ kann sie schon vorweisen: „Ich bin schwarz, und ich sage das mit Stolz“, hatte sie bei ihrer Pressekonferenz erklärt. „Und wir sind stolz, sie in der Regierung zu haben“, antworteten – als die Belästigungen über Kyenge hereinbrachen – die vereinten Spitzen der Koalition, Enrico Letta von den Sozialdemokraten und Angelino Alfano von Berlusconis „Volk der Freiheit“. So viel hatten die beiden noch nie gemeinsam formuliert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2013)

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