Ein UN-Abzug träfe auch Israel schwer

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Israel fordert eine bessere Ausstattung der Blauhelmsoldaten. Im Ernstfall würde es eine Pufferzone auf den besetzten Golanhöhen errichten.

Jerusalem. Mit Enttäuschung nimmt Israel die Überlegung auf, die Mission der Blauhelmsoldaten auf dem Golan zu beenden. „Wir verstehen die Schwierigkeit der Blauhelme“, kommentierte Regierungssprecher Igal Palmor im Telefonat mit der „Presse“. Trotzdem erwarte Israel, dass die Friedenstruppen „gerade dann bleiben, wenn die Lage angespannt ist“. Die Blauhelme wüssten, dass sie „nicht nach Berlin oder Paris geschickt werden, sondern in Krisenzonen“.

Seit 1974 ist die UN-Mission Undof auf den Golanhöhen stationiert. Die Truppen hätten eine effektive und vertrauenswürdige Arbeit geleistet, sagt Palmor. Er rät dazu, über eine Anpassung nachzudenken, anstatt den Rückzug anzutreten. Möglich sei, dass die Blauhelme besser ausgerüstet werden sollten, um sich der neuen Lage zu stellen. Im israelischen Außenministerium besteht die Befürchtung, dass sich die Situation in Syrien weiter verschlechtern wird. Sollte die Undof ihre Mission auf den Golanhöhen beenden, könnten die Israelis ihrerseits eine neue Pufferzone errichten.

Zurückhaltung in Damaskus

Sollten die syrischen Kämpfe über die Grenzen hinaus eskalieren, trüge auch Israel eine Verantwortung. Zweimal attackierte die israelische Luftwaffe am vergangenen Wochenende Ziele in Syrien. Über 40 Menschen sollen zu Tode gekommen sein, und doch hält sich die Regierung in Damaskus bisher mit militärischen Reaktionen zurück. Die Blauhelmsoldaten würden vollends zwischen die Fronten geraten.

Die Opfer und die Zerstörung beim Nachbarn laufen in Israel unter dem Begriff Kollateralschaden. Jerusalem nimmt es in Kauf, die Souveränität eines anderen Staates eklatant zu verletzen, wenngleich der Feind erklärtermaßen nicht Syrien ist. Die Luftwaffe zielte auf die libanesisch-schiitische Hisbollah (Partei Gottes) ab. Die iranische Rüstungshilfe via Syrien ist an sie adressiert, damit sie für den Kampf gegen die Zionisten gewappnet ist.

Wenige Tage nach den Luftangriffen verschärft sich der Ton der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten. Die „Achse des Bösen“, die von Teheran via Damaskus bis zur Hisbollah führt, wie es einst US-Präsident George W. Bush umriss, ist vereint im grundsätzlichen Plan, sich beim Feind zu rächen. Per Bombenabwurf hatte Israel zwei Waffentransporte für die Hisbollah unterbunden. Iran versprach Syrien volle Unterstützung gegen die „Terroristen, Israel und die USA und allen, die es wagen, das Land anzugreifen“. Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah gab sich zuversichtlich, dass Syrien seine Guerillatruppen nun erst recht mit modernen Waffen versorgen werde, mit denen die Karten im Kampf neu gemischt werden. Die Hisbollah würde umgekehrt Syrien dabei helfen, die Golanhöhen von Israel zurückzuerobern.

Syriens Präsident Baschar al-Assad zeigt sich den schiitischen Extremisten, die ihm auch im Kampf gegen die Rebellen zur Seite stehen, rundum dankbar. „Wir haben entschieden, ihnen alles zu geben“, zitierte ihn die libanesische Zeitung „Al-Ahbar“. Assad setzt vorerst auf strategische Vergeltung für Israels Luftangriffe. Syrien sei zwar in der Lage, Israel mit ein paar Raketen anzugreifen, meinte der Machthaber nonchalant, doch lieber will er sein Land nach dem Vorbild der libanesischen Hisbollah zu einer Nation des Widerstandes machen.

Für Hisbollah tickt die Uhr

Assads Ankündigung ist für Israel zunächst eine Entwarnung. Aus Damaskus ist im Moment kein militanter Rachefeldzug zu erwarten. Die schlechte Nachricht ist, dass sich die syrische Führung von den Luftangriffen nicht davon abbringen lässt, weiter mit der Hisbollah zu kooperieren und weiter Waffentransporte aus Teheran via Syrien zu ermöglichen. Für die Hisbollah tickt die Uhr. Den extremistischen Guerillas droht mit dem möglichen Sturz Assads der Wegfall des wichtigsten Verbündeten neben dem Iran. Für sie gilt es jetzt aufzurüsten, was das Zeug hält.

Je näher ein Ende der Regierung in Damaskus rückt, desto intensiver wird der Waffenschmuggel vorangetrieben werden. Lieber in den Händen der libanesischen Verbündeten als bei den syrischen Rebellen will Assad sein Arsenal aufgehoben wissen. Damit scheint sicher, dass die israelischen Attacken nicht die letzten waren. Die Sicherheitskräfte würden alles unternehmen, um das zu verhindern, meint Boas Ganor, Gründer und Direktor des „International Policy Institute for Counter Terrorism“ in Herzlia.

Ruhe an der israelischen Front

Dass Syrien trotz der israelischen Angriffe vorerst Ruhe an der israelischen Front wahrt, scheint in Israel niemanden zu überraschen. Was Israels Bürger selbst im Norden ruhig schlafen lässt, ist die Gewissheit, dass Assad derzeit andere Sorgen hat. Das Letzte, was der stürzende Despot braucht, ist eine weitere Front.

Davon abgesehen ist seine Armee heute deutlich geschwächt. So setzt die syrische Luftwaffe im Kampf gegen die Freiheitskämpfer überalterte Modelle des Typs MIG-21 und MIG-23 ein, Kampfflugzeuge aus den 1960er-Jahren. Die meisten Einheiten seien schlecht ausgestattet, schreibt die Zeitung „Haaretz“. Relativ neue Panzer bekommen einzig die loyalen Alawiten-Einheiten, die vor allem die Aufgabe haben, das Regime zu beschützen.

Nicht die syrische Armee sei für Israel gefährlich, sondern die Terroristen, sagt Moshe Maoz, Experte für Islam- und Nahoststudien an der Hebräischen Universität Jerusalem. „Die Extremisten sind zwar motiviert und bewaffnet, aber zahlenmäßig nicht sehr viele“, meint Maoz. Die meisten syrischen Muslime seien moderat. „Man liebt die al-Qaida nicht.“

Mit jedem Angriff auf syrischem Boden geht Israel dennoch ein Risiko ein. Auf keinen Fall will sich Jerusalem in den syrischen Bürgerkrieg einmischen. Israels Feind ist nicht Syrien, sondern die Hisbollah.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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