Die hässliche Seite der deutschen Grünen

Daniel Cohn-Bendit
Daniel Cohn-BenditEPA
  • Drucken

In ihrer Frühzeit finanzierten die deutschen Grünen eine Pädophilen-Lobby und überlegten, Sex mit Kindern zu legalisieren. Forscher sollen das dunkle Kapitel nun aufarbeiten.

Berlin. Die Arbeitsgruppe „Schwule und Päderasten“ hatte ganze Arbeit geleistet. Sex mit Kindern, so das Fazit ihres Papiers, sei „für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv“. Deshalb hielten es die Grünen in Nordrhein-Westfalen 1985 für ein Gebot der Stunde, dass einvernehmliche Sexualität „zwischen Menschen jeglichen Alters (...) vor jeder Einschränkung zu schützen“ sei. Erst als die Öffentlichkeit entsetzt aufheulte, wurde der Kindersex-Beschluss kleinlaut „ausgesetzt“.

Dass die deutschen Grünen in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit auch eine Anlaufstelle für Pädophile waren, ist ihnen heute durchaus peinlich. Es passt so gar nicht zum Image der Tugendpartei, deren Funktionäre sich lauter als alle anderen über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche empört haben. Doch ein aktueller „Spiegel“-Artikel rückt die „Schatten der Vergangenheit“ wieder stärker ans Licht.

Die ausgewerteten Akten zeigen: Die interne Arbeitsgruppe war eine Lobbyverein von Pädophilen. Mit offenen Briefen an Parteispitze und Bundestagsfraktion, verziert mit Zeichnungen von nackten und minderjährigen Knaben, versuchten sie, ihr politisches Ziel durchzusetzen: den Paragrafen 176 des Strafgesetzes, der Sex mit Kindern verbietet, zu Fall zu bringen. Bei keiner anderen Partei hätten sie damit eine Chance gehabt. Die Grünen aber diskutierten ihr Ansinnen. Sieben Jahre lang hielt sich die Arbeitsgruppe. Partei und Fraktion finanzierten sie sogar – wenn auch nur mit einigen tausend Mark. Die Grünen von heute haben auf die Story rasch reagiert: Am Montag beschloss der Vorstand, unabhängige Wissenschaftler einzusetzen, die den Einfluss von Pädophilen auf die Partei in den Achtzigerjahren aufarbeiten sollen.

„Widerwärtiger Pädophiler“ Cohn-Bendit

Den Ärger verdanken die Grünen ihrem ewigen Rebellen Daniel Cohn-Bendit. Auch den Deutschfranzosen und leidenschaftlichen Europäer, der die Fraktion im Europaparlament anführt, holt die Vergangenheit ein. Auch ihm wirft man vor, er habe im Sog der sexuellen Revolution den Maßstab dafür verloren, wo Befreiung endet und Missbrauch beginnt. Freilich geht es, wie es zu dem leidenschaftlichen Rhetoriker passt, nur um Worte. In einem halb autobiografischen, halb fiktiv-polemischen Buch von 1975 schilderte Cohn-Bendit, wie ihm als Kindergärtner die Kinder die Hose geöffnet und ihn gestreichelt hätten. Eine Männerfantasie, sagt er heute, und tatsächlich wirft ihm keiner seiner damaligen Zöglinge irgendeine Form von Missbrauch vor. In einer französischen Talkshow von 1982 provozierte er einen konservativen Schriftsteller, der die Sexualität von Kindern leugnete, mit den Worten: „Wenn ein fünfjähriges Mädchen beginnt, Sie auszuziehen, ist es fantastisch“, „ein wahnsinnig erotisches Spiel.“

Das sorgte für einen späten Eklat: Als „Dany le Rouge“ im April in Stuttgart den Theodor-Heuss-Preis erhielt, sagte Andreas Voßkuhle, der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, seine Laudatio ab, weil er von den Aussagen erfuhr. Während Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann im Grußwort um „Vergebung“ warb, riefen CDU-Anhänger vor dem Schloss „Schämt euch“. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt stempelte Cohn-Bendit gestern zum „widerwärtigen Pädophilen“. Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen nannte ihn 2001 gar einen „Kinderschänder“.

Der Angegriffene zeigt sich nun betroffen. Auf zwei weitere Preise für seine Verdienste um die deutsch-französische Integration hat er entnervt verzichtet. Seinen Text nennt er im „Spiegel“-Interview „geschmacklos“ und „dumm“, seinen TV-Auftritt „hässlich“ und „spätpubertär“. 2014 will der heute 68-jährige Veteran der Achtundsechziger nicht mehr für das Europaparlament kandidieren, was aber mit seinen nachlassenden Kräften zu tun habe.

Der Wandel in der Wissenschaft

Freilich sei es ihm immer um die Sexualität von Kindern gegangen, nie um Sex mit Kindern – „ein großer Unterschied“. Tatsächlich folgte der grüne Diskurs jener Zeit einer damals gängigen Theorie: Aus Kindern, die ihre Sexualität nicht ausleben dürfen, werden verklemmte, autoritäre Erwachsene.

Erst seit den Neunzigerjahren ist es fast Konsens unter den Forschern, dass eine wirklich einvernehmliche, nicht missbräuchliche Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen eine Illusion sei. Seitdem begehren Feministinnen gegen diese Form männlicher Unterdrückung auf. Die Kämpfer für Schwulenrechte waren es längst leid, mit Pädophilen in einen Topf geworfen zu werden. Die Aufdeckung der Missbrauchsskandale tat ihr Übriges: Über den Unterschied zwischen Menschenrecht und Kriminalität besteht heute kein Zweifel mehr.

Auf einen Blick

Die deutschen Grünen standen in den Achtzigerjahren stärker als bisher bekannt unter dem Einfluss von Pädophilen, die den Sex mit Kindern legalisieren wollten. Das Thema kommt durch die Affäre um Daniel Cohn-Bendit neu aufs Tapet: Als der grüne Europapolitiker im April einen Preis bekam, protestierten Unionspolitiker. Sie erinnerten an frühere Aussagen in einem Buch und einer Talkshow, in denen Cohn-Bendit von erotischen Erlebnissen mit Kindern schwärmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.