Deutschland: De Maizières Drohnendebakel

German Defence Minister de Maiziere stands next to model of a Euro Hawk drone at Joint Support Service base in Grafschaft
German Defence Minister de Maiziere stands next to model of a Euro Hawk drone at Joint Support Service base in GrafschaftREUTERS
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Das Verteidigungsministerium hat bis zu einer Milliarde Euro in den Sand gesetzt, weil geplante Aufklärungsdrohnen keine Chance auf Zulassung haben. Stehen Militärdrohnen in Europa vor dem Aus?

Berlin. Thomas de Maizière hätte einen starken Auftritt haben können. Am Donnerstag berichtete der deutsche Verteidigungsminister dem Bundestag über die Heeresreform. Der Komplettumbau nach dem Ende der Wehrpflicht verläuft dank der soliden Führung des CDU-Hoffnungsträgers in erstaunlich ruhigen Bahnen. Aber niemand hatte Lust, dem potenziellen Merkel-Erben auf die Schulter zu klopfen.

Denn seit Mittwoch ist bekannt, dass die Regierung eines der wichtigsten Rüstungsprojekte der letzten Jahre stoppen muss: den Kauf von fünf Aufklärungsdrohnen des Typs „Euro Hawk“. Damit sind jedenfalls 270 Mio. Euro für einen Prototypen des unbemannten Fluggeräts verloren. Opposition und Experten schätzen den Gesamtschaden auf bis zu eine Milliarde. Es hagelt Kritik, die Linkspartei fordert gar den Rücktritt des populären Ministers. Erinnerungen an Vorgänger Guttenberg wurden wach, den freilich eine gänzlich unmilitärische Doktorarbeit zum Absturz brachte.

Wie konnte das geschehen? Abgehoben ist das Prestigeprojekt schon 2004 unter Rot-Grün. Zwar war klar, dass die „Hardware“ aus den USA kommen muss. Nur dort baut man Aufklärungsdrohnen mit der gewünschten Flughöhe und Reichweite. Aber die Sensoren sollten aus Deutschland kommen, womit sich der Typ „Global Hawk“ zum „Euro Hawk“ wandelte – ein Stück mehr Unabhängigkeit von der US-Rüstungsindustrie. Gesamter Auftragswert: 1,2 Mrd. Euro.

US-Hersteller hält Daten zurück

2011 war der US-Hersteller Northrop mit dem Demonstrationsobjekt fertig, aber sein Transport verzögerte sich. Probleme mit den Überflugrechten, hieß es. Die Opposition ist überzeugt: Schon damals hätte klar sein müssen, dass der „Euro Hawk“ keine Chance auf Zulassung durch die Luftfahrtbehörden hat. Gut möglich, dass auch de Maizière von den peinlichen Problemen nur verklausuliert erfuhr. Zumindest der verantwortliche Abteilungsleiter dürfte nun fliegen, weil die Drohne nicht fliegen darf.

Der walfischförmige Flugkörper kann zwar bis zu 6000 Kilometer ohne Zwischenlandung überbrücken, aber starten muss er in Deutschland – in einem von Zivilflugzeugen dicht bevölkerten Luftraum. Für eine Zulassung verlangt die Behörde eine Dokumentation der Technik, die Northrop nicht herausrücken will, und Tests, die in Amerika nicht nötig sind. Sie selbst in die Hand zu nehmen, hätte bis zu 600 Mio. gekostet. Immerhin könne man die deutsche Sensortechnik im Wert von 250 Mio. auch in bemannten Flugzeugen einbauen, beteuert das Ministerium. Kritiker bezweifeln, dass das ohne teuren Umbau möglich ist.

Die Nato hat bereits fünf „Global Hawks“ für Europa bestellt. Deutschland ist daran beteiligt, womit weitere Verluste drohen. Und für bewaffnete Drohnen, über deren Kauf nach der Wahl entschieden werden soll, sind ähnliche Hürden zu erwarten. Sicherheitsexperte Otfried Nassauer sieht im Gespräch mit der Auslandspresse ein grundsätzliches Problem für militärische Drohnen in Europa. „Militärs glauben oft, sie seien allmächtig“, und könnten sich über Normen der Luftfahrt hinwegsetzen. In Afghanistan und Pakistan, wo die US-Streitkräfte auch Kampfdrohnen zur gezielten Tötung von Terroristen verwenden, sei das möglich, zumal am Hindukusch einige wenige Linienmaschinen die einzigen zivilen Hindernisse sind. Doch schon zu Hause in den USA dürfen die Drohnen nur dort fliegen, wo der Luftraum für das Militär gesperrt ist.

Europa muss warten

In Europa sind gesperrte Bereiche wegen der hohen Verkehrsdichte nicht denkbar. Also muss man sich mit den Zivilbehörden arrangieren. Das kann dauern, denn die EU überarbeitet gerade ihre Luftraumkontrolle. Statt vom Boden aus zu steuern, erklärt Nassauer, sollen künftig die Bordcomputer Positionsdaten austauschen und so allein dafür sorgen, dass die Flieger nicht kollidieren. Bis dahin könne es noch zehn bis 20 Jahre dauern: „Und bevor das System nicht steht, ist niemand bereit, die Integration von Drohnen anzupacken.“

Aus dieser Sicht war die Euphorie über Drohnen in Europa ziemlich verfrüht. Aber auch ein SPD-Abgeordneter gab dieser Tage in Sachen „Euro Hawk“ zu: „Wir alle wollten diesen Vogel haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2013)

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