"Serben haben Kosovo als Realität akzeptiert"

Kosovos Außenminister Enver Hoxhaj sieht den Kosovo auf einem guten Weg.
Kosovos Außenminister Enver Hoxhaj sieht den Kosovo auf einem guten Weg.(c) EPA
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Kosovos Außenminister Enver Hoxhaj spricht im Interview im Vorfeld des Serbien-Kosovo-Gipfels in Brüssel über die Zukunft der Beziehungen zu Serbien und Ärgernisse beim Telefonieren.

Die Presse: Herr Minister, wenn ich Sie anrufe, muss ich noch immer die Vorwahl von Serbien wählen.

Enver Hoxhaj: Das stört uns natürlich. Wichtiger ist aber, dass wir im Stande waren, in den vergangenen fünf Jahren viele offene Fragen mit Serbien zu lösen, und dass wir jetzt nach vorne schauen. Das wird auch von den anderen Staaten in Europa anerkannt. Wir sind jedenfalls sehr froh, dass es diesen Dialog gegeben hat, und jetzt sind wir dabei, das mit Belgrad erzielte Abkommen umzusetzen. Und die Sache mit der Telefonvorwahl lösen wir auch noch.

Bei der Umsetzung der Vereinbarungen spießt es sich aber. Was ist ein Papier wert, das man nicht umsetzt?

In sieben Monaten gab es zehn Treffen mit der serbischen Seite in Brüssel. Das Abkommen, das wir dort verhandelt haben, ist für uns unglaublich wichtig, weil Serbien darin die Realität eines unabhängigen Kosovo anerkennt, unsere Verfassung und unsere Institutionen. Wir verstehen auch nicht, warum die Belgrader Delegation bei den beiden Treffen, wo es um den Plan zur Umsetzung ging, die Vorschläge von Lady Ashton nicht akzeptieren konnte. Aber ich gehe davon aus, dass sich die beiden Premierministern am 21. Mai darüber einigen werden. Die Situation im Norden des Kosovo kann sich jedenfalls nur ändern, wenn Serbien das Abkommen umsetzt – und nur dann bekommt Belgrad auch ein Datum für EU-Beitrittsverhandlungen.

Wo steht eigentlich geschrieben, dass Serbien darin ein unabhängiges Kosovo anerkennt? In Belgrad sieht man das vermutlich anders.

Ich spreche nicht von formaler Anerkennung, aber sie haben das, was Kosovo ist, als Realität akzeptiert. Erstens wurde der Verhandlungsprozess von den beiden Premierministern geführt, zweitens fand dieser Prozess bilateral statt, und drittens ist im Inhalt des Abkommens immer wieder von den Gesetzen und von der Verfassung des Kosovo die Rede, diese werden also anerkannt.

Warum war es leichter, mit ehemaligen Nationalisten in Belgrad ein Abkommen zu schließen als mit der vorigen, stark prowestlichen Regierung?

Belgrad hat mit der Zeit verstanden, dass Kosovo Teil der Landschaft unabhängiger Staaten am Balkan sein wird, und dass niemand den Lauf der Geschichte aufhalten kann. Im Süden Serbiens gibt es jetzt einen neuen Nachbarn, und der sollte als Partner akzeptiert werden. Im übrigen haben wir schon mit dem früheren Präsidenten Boris Tadic ein Abkommen erreicht, mit dem Serbien sogar de jure die Grenze zum Kosovo anerkannte. Mit Tadic haben wir auch eine Vereinbarung über die Teilnahme Kosovos an internationalen Organisationen erreicht. Auch die damalige serbische Regierung hat sich also schrittweise auf die Anerkennung der Realität zubewegt.

Aber der Durchbruch geschah mit einer Regierung, in der ehemalige Milosevic-Leute sitzen.

Wir sind uns bewusst, dass einige Vertreter dieser Regierung in der Vergangenheit eine Politik gegenüber Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo betrieben haben, die nicht im Sinne von Frieden, Sicherheit und Menschenrechten war, aber das gehört der Vergangenheit an. Wir wollen die Regierung in Belgrad daran messen, wie sie sich gegenüber dem Kosovo jetzt verhält. Wir sind sehr interessiert an normalen Beziehungen und einem langfristigen Versöhnungsprozess.

Serbiens Premier Dačić hat gegenüber der „Presse“ als „Privatmann“ gesagt, er hält einen Gebietstausch für die beste Lösung. Was halten Sie davon?

In der Politik gibt es keine Trennung zwischen Privatmeinung und offizieller Meinung. Für uns ist das absolut inakzeptabel. Es ist gegen die Idee von Multiethnizität und gegen den europäischen Geist. Außerdem würde eine solche Idee nur Gewalt auslösen, quer durch die ganze Region, es würde eine Büchse der Pandora öffnen. Es würde auch die Stabilität Serbiens in Frage stellen, wenn man an die Muslime im Sandzak oder die Ungarn in der Vojvodina denkt. Solche Ideen sollten ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.

Aber dann wären Sie die Serben im Nordkosovo los, die so wenig mit Prishtina zu tun haben wollen wie die Kosovo-Albaner mit Belgrad.....

Wir haben kein Problem mit den Kosovo-Serben, die dort leben. Nur hat Serbien in den vergangenen 13 Jahren versucht, mit seinen Institutionen und seiner Polizei dort die Lage zu kontrollieren. Auf der anderen Seite gibt es sechs Gemeinden, die mehrheitlich von Serben bewohnt werden, und wo es serbische Bürgermeister und Gemeinderäte gibt. Die Serben sind auch im Parlament vertreten, mit 13 von 120 Abgeordneten, sie stellen einen Vizepremier. Nur 20.000 bis 30.000 Serben im Norden konnten sich bisher nicht integrieren, weil sie von Belgrad als Geisel genommen wurden.

Sie sind gegen Grenzveränderungen. Aber genau das fordert der albanische Premier Berisha, der für ein Großalbanien eintritt. Lehnen Sie auch das ab?

Kosovo wird stets ein unabhängiger Staat sein. Wir sind nicht nur gegen ein großserbisches Projekt, sondern auch gegen ein großalbanisches. Die Landkarte des Balkans steht ein für allemal fest, die Grenzen sind fix.

Können Sie sich vorstellen, darüber eine Volksabstimmung abzuhalten?

Nein, niemals. Kosovo soll so bleiben, wie es ist.

Zwischenbilanz nach fünf Jahren Unabhängigkeit: Haben Sie sich vorgestellt, dass der Weg so steinig wird?

Ich glaube nicht, dass der Weg steinig war, wir haben viel erreicht: Wir haben einen neuen Staat mit einem Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem aufgebaut. Wir sind quasi die Erfolgsgeschichte auf dem Balkan. Und wir haben es geschafft, im vergangenen Jahr die Überwachung der Unabhängigkeit zu beenden. Anders als in Sarajewo gibt es heute in Pristhina keinen internationalen Vertreter mehr, der uns überwacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2013)

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