London: Der Terror der "einsamen Wölfe"

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Nach dem Messerattentat auf einen Militärangehörigen am helllichten Tag im Londoner Stadtteil Woolwich warnen Experten vor radikalisierten Einzeltätern, die nicht in eine Terrororganisation eingebettet sind.

London. Die Bilder aus Woolwich waren verstörend: Nachdem die beiden Täter ihr Opfer mit Messern attackiert und es mit einer Machete geköpft hatten, blieben sie am Tatort. „Gefährlich“ seien die Männer, schätzt der frühere Scotland-Yard-Kommandant John O'Connor, „aber sicher nicht professionell. Es zeigt, dass sie Aufmerksamkeit wollten.“

Sicherheitsexperten klassifizieren die grausame Enthauptung eines Militärangehörigen im Londoner Stadtteil Woolwich am Mittwochnachmittag als Akt des Terrorismus. Doch es war ein Terrorismus unberechenbarer Einzeltäter. In Anlehnung an den Slogan „Just Do It“ ist von „Nike-Terroristen“ oder „einsamen Wölfen“ die Rede, die ohne Einbettung in eine Organisation zuzuschlagen bereit sind. Sicherheitskräfte macht das Phänomen ratlos: „Es ist sehr schwer, sich gegen diese Art von Anschlag zu verteidigen, denn eine derartige Tat kann praktisch immer und überall verübt werden.“ Im Vorjahr hat der damalige Geheimdienstchef Jonathan Evans gewarnt: „Einzeltäter sind heute die größte Gefahr für unsere nationale Sicherheit.“

London muss sich also einmal mehr gegen Terroranschläge wappnen. Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Finale der Champions League. 90.000 Zuschauer werden am Samstagabend das Londoner Wembley-Stadion füllen, wenn Bayern München und Borussia Dortmund um den höchsten Titel im europäischen Klubfußball kämpfen. „Wir werden uns dem Terror nicht beugen“, betonte Premierminister David Cameron gestern.

Die Sicherheitskräfte wurden zu erhöhter Wachsamkeit angehalten, zugleich aber auch zur „Diskretion“. Die Behörden wollen jede Art von Panik verhindern.

Doch der Schock sitzt tief. Nicht nur wurde der Anschlag auf offener Straße und am helllichten Tag (14.21Uhr) in einer Menschenmenge begangen. Durch ein per Handy aufgenommenes Video erfuhr die geschockte Nation dann von den Motiven der Attentäter: „Jagt eure Regierung davon und bringt eure Truppen nach Hause, sodass wir alle in Frieden leben können!“, schreit ein Mann mit blutverschmierten Händen. „Ihr werdet nie wieder sicher sein! Auge um Auge, Zahn um Zahn!“

Die beiden Attentäter – sie sollen amtsbekannt gewesen sein – wurden von der Polizei angeschossen und in Krankenhäuser eingeliefert. Einer soll sich in ernstem Zustand befinden. Nach Medienberichten wurde mittlerweile einer der Täter identifiziert – der 28-jährige Michael Adebolajo soll 2001 zum Islam konvertiert sein (siehe Interview auf S. 2/3). Seine Familie wurde gestern von Nachbarn als „sehr gläubige Christen, sehr angenehm und völlig unauffällig“ beschrieben. Adebolajo nahm mit dem Wechsel zum Islam den Vornamen Mujaahid an, das bedeutet: Kämpfer im Heiligen Krieg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2013)

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