Dem 25-jährigen US-Soldaten Bradley Manning droht wegen der Weitergabe hunderttausender geheimer diplomatischer Depeschen an das WikiLeaks-Projekt lebenslange Haft.
Washington/go. Nach mehr als drei Jahren in Militärgefängnissen steht Bradley Manning, der Lieferant von hunderttausenden geheimen E-Mails an das WikiLeaks-Projekt, seit Montag vor Gericht. Eine Militärrichterin in der Kaserne von Fort Meade (Maryland) hat darüber zu urteilen, ob der 25-jährige Manning wissentlich die Sicherheit amerikanischer Diplomaten und Soldaten gefährdet und dem Feind geholfen hat, als er die rund 700.000 diplomatischen Depeschen an WikiLeaks weitergab. Manning würde diesfalls für den Rest seines Lebens im Gefängnis bleiben.
Die Veröffentlichungen von WikiLeaks hatten im Frühjahr 2010 weltweit für Aufsehen gesorgt. Die elektronischen Depeschen (auf Englisch: Cables) von US-Botschaften in aller Herren Länder legten vertuschte, tödliche, amerikanische Drohnenangriffe auf unschuldige Zivilisten offen, belegen, dass gegen zahlreiche Häftlinge im US-Militärgefängnis in Guantánamo nichts strafrechtlich Einschlägiges vorliegt, und blamierten zahlreiche amerikanische und ausländische Diplomaten. So wurde zum Beispiel der saudische König Abdullah mit den Worten zitiert, der einzig richtige Weg im Umgang mit dem Iran sei es, „der Schlange den Kopf abzuschlagen“ – eine unverhohlene Begrüßung militärischer Anschläge auf den Iran.
Manning hatte all diese Daten im Zuge seines Dienstes als Analyst der US-Army im Irak gesammelt. Er hatte sie auf einem USB-Stick gespeichert, auf CDs gebrannt und als Musikvideos der Sängerin Lady Gaga beschriftet. Ein Hacker, gegenüber dem er damit geprahlt hatte, verriet ihn. Am 25. Mai 2010 wurde Manning verhaftet. Monatelang befand er sich in Einzelhaft, ihm wurden eine Zeit lang auch die Kleider weggenommen.
20 Jahre Haft sind ihm auf jeden Fall sicher. Im Februar hatte er in einer handschriftlichen 35-seitigen Stellungnahme zugegeben, mit den Daten ordnungswidrig umgegangen zu sein. Die Absicht, Menschen damit in Gefahr zu bringen, wie es ihm die Militärstaatsanwaltschaft vorwirft, wies er zurück. „Ich begann, über die Situation deprimiert zu werden, in der wir im Irak und in Afghanistan Jahr für Jahr tiefer steckten“, schrieb Manning. „Ich hatte das Gefühl, dass wir so viel für Leute riskieren, die nicht willens sind, mit uns zusammenzuarbeiten, was zu Frustration und Zorn auf beiden Seiten führt.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2013)