UN-Militärchef verlangt von Wien späteren Golan-Abzug

UNMilitaerchef verlangt Wien spaeteren
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"Wir brauchen mehr Zeit", sagt UN-Untergeneralsekretär Ladsous im "Presse"-Interview. Es gebe zwar Ersatz für Österreichs Blauhelme, aber erst in sechs bis acht Wochen.

Die Presse: Waren Sie überrascht, als Österreich vergangenen Donnerstag ankündigte, seine Soldaten von den Golanhöhen abzuziehen?

Hervé Ladsous: Ich wusste, dass ein solcher Schritt im Lichte der Entwicklung im Einsatzgebiet schon seit einiger Zeit in Erwägung stand. Und ich hatte einige Statements der Regierung in Wien in diese Richtung wahrgenommen. Ich kann also nicht behaupten, dass ich total überrascht gewesen bin. Allerdings möchte ich nicht verhehlen, dass ich die Entscheidung sehr bedauere. Aber ich respektiere den Beschluss der österreichischen Regierung. Wir arbeiten jetzt daran, gemeinsam eine angemessene Lösung für die Situation zu finden.

Mit wie vielen Wochen Vorwarnzeit geben Truppensteller-Staaten normalerweise bekannt, dass sie eine Mission beenden wollen?

Je früher sie uns informieren, desto besser. Denn wir können mit einer solchen Situation nicht über Nacht oder auch nicht im Laufe weniger Wochen fertig werden. Wir brauchen mehr Zeit, um Alternativen zu finden; und das versuchen wir gerade.

Österreich will seine Truppen schon in etwas mehr als drei Wochen abgezogen haben. Ist dieser Zeitrahmen zu knapp bemessen?

Österreich muss uns ein besseres Angebot machen. Denn ganz offen gesagt: Wir benötigen mehr Zeit.

Wie viel Zeit brauchen Sie, um Ersatz für die 380 österreichischen Blauhelme zu organisieren?

Wir können kaum Ersatz-Kontingente in weniger als sechs bis acht Wochen finden. Wir versuchen unser Bestes und diskutieren dieses Problem gerade mit Truppensteller-Nationen.

Österreich wurde als Rückgrat der Mission auf den Golanhöhen beschrieben ...

Österreich war in den vergangenen 39 Jahren ganz gewiss das Rückgrat der Mission. Es war die ganze Zeit über mit sehr soliden Soldaten im Einsatz. Der Beitrag Österreichs in diesen fast vier Jahrzehnten war sehr wertvoll. Ich habe Undof (United Nations Disengagement Observer Force; Anm.) zwei Mal besucht und war sehr beeindruckt, besonders davon, wie die Österreicher den Kontakt zu den Ortsansässigen auf den Golanhöhen gehalten haben. Sie haben bemerkenswerte Arbeit geleistet.

Steht nun nach Österreichs Abzugsentscheidung die ganze Mission vor dem Zusammenbruch?

Das hoffe ich natürlich nicht. Wir müssen Ersatz für die Österreicher finden. Das ist ein Faktum, daran arbeiten wir. Aber andere Staaten haben mir noch keine Abzugsabsichten mitgeteilt.

Im Mai hat der Außenminister der Philippinen seinem Präsidenten empfohlen, die 350 philippinischen Blauhelme vom Golan abzuziehen.

Ja, aber wir stehen in engen Beratungen mit der philippinischen Regierung. Und mir ist nicht bekannt, dass in Manila eine Entscheidung getroffen worden wäre.

Hat Ihnen die Regierung in Manila zugesagt, dass die Filipinos am Golan bleiben?

Wir sind in Kontakt mit ihnen. Mein Militärberater war in den vergangenen Tagen in Manila. Und der UN-Generalsekretär hat am Wochenende mit der philippinischen Führung gesprochen.

Haben Sie, abgesehen von Russland, ein Angebot eines Staates erhalten, für die Österreicher einzuspringen?

Ja, das kann ich bestätigen.

Um welchen Staat handelt es sich?

Das werde ich im Laufe der Woche noch bekannt geben. Es handelt sich um ein Land im Pazifik.

Sprechen Sie von den Fidschi-Inseln?

Das kann ich nicht bestätigen. Mehr will ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen.

Soldaten aus den Fidschi-Inseln sollten die 95 Kroaten, die im März abgezogen wurden, schon ersetzt haben. Warum sind sie noch nicht angekommen am Golan?

Sie werden in 14 Tagen dort sein. So etwas dauert: Die Soldaten müssen trainiert werden. Wir müssen sie inspizieren, bevor sie stationiert werden. Wir agierten so schnell wir konnten – und waren schneller als üblicherweise.

Seit Monaten zieht eine Nation nach der andern ihre Soldaten vom Golan ab. Die Japaner, die Kanadier, die Kroaten, jetzt die Österreicher. Warum haben Sie nicht schon längst ein Backup organisiert?

Wir haben selbstverständlich eine Reihe von Staaten gefragt, ob sie einspringen wollen. Aber wir haben einfach keine Zusagen erhalten. Gleichzeitig haben wir etliche Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit der Soldaten am Golan zu erhöhen und haben dabei auf Ressourcen anderer Missionen in der benachbarten Region zurückgegriffen. Das ist auch ein Weg, Backup zu organisieren: Wir haben uns Ausrüstung ausgeborgt.

Ist die UNO überhaupt noch in der Lage, die Mission am Golan zu erfüllen?


Das hoffe ich natürlich. Dank Undof war der Golan 37 Jahre lang eine Zone der Ruhe in einer turbulenten Region. Es wäre in niemandes Interesse, wenn der Golan wieder umkämpft wäre (zwischen Israel und Syrien; Anm). Die Mission ist wichtig. Und wir werden alles unternehmen, um sie am Leben zu erhalten

Die österreichische Regierung sagt im Grunde, dass die Soldaten am Golan ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen können. Sie können sich für ihre Beobachtungsmission nicht mehr frei bewegen, ihre Versorgungslinie war sogar kurz unterbrochen ...

Wir haben Maßnahmen ergriffen, um das Risiko zu mindern. Es gab weniger Patrouillen. Wir haben sogar vorübergehend einige Beobachtungsposten geschlossen, weil es uns die Notwendigkeit diktiert hat. Aber das ist es auch schon. Die Mission erfüllt immer noch ihre Rolle, vielleicht auf eine weniger sichtbare Art, aber immer noch auf sehr nützliche Weise.

Aber die Bedingungen haben sich komplett verändert. Die entmilitarisierte Zone wurde zum Kampfgebiet zwischen der syrischen Armee und syrischen Rebellen.


Natürlich haben sich die Bedingungen geändert. 37 Jahre ist nichts passiert. Und jetzt passiert etwas. Das können wir nicht ignorieren, das macht die Mission schwieriger, aber nicht hinfällig.

Glauben Sie, dass die Mission ein robusteres Mandat braucht?

Es geht nicht darum, ob das Mandat robuster ist. Das Mandat leitet sich direkt vom Protokoll der Truppenentflechtung zwischen Israel und Syrien aus dem Jahr 1974 ab. Wir können dieses Abkommen nicht einfach umschreiben. Unsere Mission basiert darauf.

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