Tschechien: Luft für Ministerpräsident Nečas wird dünner

Ministerpräsident Necas beteuert seine Unschuld, seine Koalitionspartner werden ungeduldig.
Ministerpräsident Necas beteuert seine Unschuld, seine Koalitionspartner werden ungeduldig.(c) REUTERS/Petr Josek
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Neben der sozialdemokratischen Opposition fordert nun auch Präsident Zeman den Rücktritt des Premiers. Dessen Büroleiterin und mutmaßliche Geliebte Jana Nagyová befindet sich nun offiziell in Untersuchungshaft.

[Prag] Die Stunden des in eine Korruptions- und Ausspähaffäre geratenen tschechischen Premiers Petr Nečas scheinen gezählt. Am Samstag forderte ihn Präsident Miloš Zeman indirekt zum Rücktritt auf. Zeman hatte am Freitag unter anderem mit dem Polizeipräsidenten und dem Generalstaatsanwalt gesprochen. „Ich halte die erhobenen Anschuldigungen für sehr schwerwiegend“, sagte er am Samstag im Fernsehen. „In der derzeitigen Lage sollte die Regierung unter Premier Nečas nicht mehr weitermachen.“
Auch der Koalitionspartner rückt von ihm ab. Karolina Peake, Vorsitzende der kleinen liberalen Partei Lidem, sagte, die Mitte-rechts-Regierung könne auch ohne Nec?s bis zu den nächsten Wahlen im kommenden Jahr weitermachen. Peake habe kein Vertrauen mehr in den angeschlagenen Regierungschef. Schon seit Bekanntwerden der Untersuchungshaft für Nagyová beginnt es in der Regierungskoalition zu bröckeln. Der Vizechef der konservativen Partei TOP 09, Finanzminister Miroslav Kalousek, nannte die Situation „ernst“. Am Samstag zerstreuten sich auch die Hoffnungen des Premiers, dass seine mutmaßliche Geliebte und Bürochefin Jana Nagyová auf freien Fuß gesetzt werde. Der zuständige Richter in Ostrava entschied, dass Nagyová während der laufenden Untersuchungen in Untersuchungshaft komme. Nagyová ist bislang die Schlüsselfigur der ganzen Affäre. Sie soll drei Abgeordnete der Nečas-Partei ODS bestochen haben, damit diese ihr Mandat niederlegten. Die drei Abgeordneten hatten den Sparkurs von Nečas abgelehnt und gedroht, die Regierung platzen zu lassen.
Nachdem sie ihr Mandat aufgegeben hatten, brachte der Ministerpräsident sein Programm im Parlament durch und konnte damit seine Regierung retten. Die Exabgeordneten tauchten später auf hohen Posten in halbstaatlichen Betrieben auf.
Nagyová wird zudem beschuldigt, höchste Chargen des militärischen Geheimdienstes instruiert zu haben, die Ehefrau von Nečas, Radka Nečasová, zu überwachen. Dem Vernehmen nach wollte sie Belege für die eheliche Untreue der Premiersgattin finden, um eine Scheidung des Paares zu beschleunigen. Das Ehepaar Nečas hatte zu Beginn dieser Woche die Scheidung nach 25 Jahren Ehe angekündigt.
Nagyovás Verteidiger sagte nach der Verhandlung vor dem Haftrichter über seine Mandantin, Nečas habe von der Beschattung seiner Frau nichts gewusst. Nagyová habe zudem bestritten, dass sie den Premier zur Scheidung gedrängt habe. Auch die anderen Beschuldigten wurden am Samstag in Untersuchungshaft gebracht, um keine Zeugen beeinflussen zu können.

Misstrauensantrag am Dienstag

Die oppositionellen Sozialdemokraten forderten TOP 09 auf, sich mit ihnen über die Auflösung des Parlaments und vorgezogene Parlamentswahlen ins Benehmen zu setzen. Der Vizechef der Sozialdemokraten, Michal Hasek, sagte, die Anordnung der Untersuchungshaft für Frau Nagyová sollte für den Premier das Signal sein, den Hut zu nehmen. Jede weitere Stunde, in der sich die Regierung an die Macht klammere, schade Tschechien.
Für Dienstag haben die Sozialdemokraten einen Misstrauensantrag gegen die Regierung eingebracht. Der scheint nach der jüngsten Entwicklung an Erfolgschancen zu gewinnen. Zur anschließenden Auflösung des Parlaments wäre eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten erforderlich.
Ende der Vorwoche hatte das erweiterte Führungsgremium der Partei ODS Nečas noch mehrheitlich das Vertrauen ausgesprochen. Einige ODS-Politiker deuteten aber schon an, dass die Entwicklungen über das Wochenende ihre Haltung ändern könnten.

(APA/dpa)

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