Als der Angeklagte Silvio B. noch Bunga-Bunga feierte

Als der Angeklagte Silvio B. noch Bunga-Bunga feierte
Als der Angeklagte Silvio B. noch Bunga-Bunga feierte(c) REUTERS (STRINGER/ITALY)
  • Drucken

Im spektakulären Prozess um die wilden Sexpartys in der Mailänder Villa des italenische Ex-Premiers wird am Montag ein Urteil erwartet. Mit einem Freispruch Berlusconis rechnet niemand.

Rom. „An dem Abend, als wir in Berlusconis Villa waren, da machte Nicole einen Tabledance an der Stange, wie im Nachtklub, nackt, nur mit strassbesetzten Schuhen, dann tanzte sie zum Presidente, berührte seine intimen Körperteile, ließ sich betatschen und strich lasziv um ihn herum.“ So beschrieben junge Frauen im Sommer 2010 der Polizei, was sich in der Mailänder Villa des damaligen Premiers Silvio Berlusconi zugetragen hatte. Nachdem er den x-ten schlüpfrigen Witz erzählt hatte, ließ Berlusconi offenbar eine Priapos-Statue bringen, eine mit übergroßem, erigiertem Penis. Die Mädchen ließen die Statue unter sich kreisen, drückten sie zwischen ihre nackten Brüste, simulierten Oralverkehr . . .  „Wir haben uns nackt im Schwimmbad getummelt, da stieß Berlusconi zu uns, auch nackt.“

Sex mit Minderjährigen

„Der Höhepunkt war ein richtiger Konkurrenzkampf zwischen den Mädchen, das war immer die Frage, wer den Rest der Nacht mit ihm allein verbringen durfte. Dafür gab's dann auch mehr Geld.“

Damals, im Sommer 2010, fingen diese Partys an, strafrechtlich relevant zu werden. Denn unter der 33 jungen Frauen, die in der Villa eine bezahlte sexuelle Tätigkeit ausübten, befand sich auch eine Minderjährige: Die 17-jährige Marokkanerin Karima El-Mahroug, die in einschlägigen Mailänder Kreisen schon damals als „Ruby, die Herzensbrecherin“ verkehrte, und die in ihren Verhören nachher jenen Begriff einführte, der seither weltweite Berühmtheit erlangt hat: „Bunga-Bunga.“ Der Strafprozess begann am 6. April 2011. An diesem Montag, wird das Urteil erwartet – Berlusconis Verurteilung, genauer gesagt.

Denn nicht einmal er selbst rechnet damit, dass er freikommen wird. Sechs Jahre Haft forderte Staatsanwältin Ilda Boccassini, dazu den lebenslangen Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern. Und im Parallelprozess – es musste ja jemanden gegeben haben, der die jungen Frauen ausgesucht und herbeigeschafft hat – verlangt die Anklage je sieben Jahre für Emilio Fede (82) und Lele Mora (58).

Das sind zwei Männer aus Berlusconis TV-Imperium, die zugegriffen haben bei Schönheitswettbewerben landesweit und in jenen Bewerbungsmappen, mit denen sich aufstrebende, junge Italienerinnen bei Berlusconis Sendern für einen gut bezahlten Platz in leichtbekleideten Shows empfahlen. „Wenn du was werden willst in dieser Szene, dann musst du einen Preis zahlen“, soll der mächtige Talente-Scout Lele Mora einer gebürtigen Nordafrikanerin empfohlen haben: „Dann musst du deinen Körper verkaufen. Du musst ins Bett mit Berlusconi.“

„Er überhäuft mich mit Geld“

Frühere Vernehmungsaussagen wie diese wurden im Bunga-Bunga-Prozess reihenweise zurückgezogen. Damit ist das „System der Prostitution“ zusammengebrochen, das Berlusconi laut Anklage um sich herum aufgebaut hat. So sieht es Chefverteidiger Nicolò Ghedini: „Nur sechs Zeuginnen“ hätten von Sexszenen erzählt; alle anderen hätten bestätigt, was Berlusconi immer schon gesagt hatte: Die Partys seien nichts weiter gewesen als „elegante, unbeschwerte, immer korrekte Abendessen“. „Schickt eure Töchter zum Bunga-Bunga“, riet Berlusconi den Italienern einmal per TV: „Da lacht und scherzt man, da passiert nichts Böses.“ Als man Ruby fragte, ob sie ihre Tochter zum Bunga-Bunga schicken würde, sagte sie: „Niemals.“

Aber warum wollten so viele der Frauen von ihren ursprünglichen, belastenden Aussagen nichts mehr wissen? Beim Prozess kam heraus, dass Berlusconi sie nach wie vor bezahlt. „Er überhäuft mich mit Geld, er bietet alles, damit ich schweige“, hat Ruby einem Freund anvertraut und – nach all den Summen und Diamanten, die sie an den Partyabenden bekommen hat – von 4,5 Millionen Euro Verhandlungsmasse gesprochen. „Wir bekommen jeden Monat 2500 Euro von Berlusconi“, bestätigten andere Zeuginnen – und eine zeigte dem Gericht das glitzernde Collier: „Stammt von ihm!“

Einige arbeiten in Berlusconis Sendern oder beziehen dort zumindest ein Gehalt; andere wohnen kostenlos in Appartements aus seinem Besitz, und immer, wenn das Benzin ausging, „wussten sie, an wen sie sich wenden“ konnten: an Berlusconis Buchhalter – der schon 2009 und 2010 knapp 20 Millionen Euro an Bargeld für die Partyabende besorgt hatte. Es gehört zu den Rätseln des Mailänder Prozesses, warum die Staatsanwaltschaft nie den Verdacht der „Zeugenbestechung“ offiziell gemacht hat.

Nie im Leben „für Sex bezahlt“

„Alles absolut lächerlich“, entgegnet Berlusconi per TV-Ansprache – denn beim Bunga-Bunga-Prozess selbst ist er nur einmal aufgetreten; ins Verhör nehmen lassen wollte er sich sowieso nicht. „Nie in meinem Leben habe ich eine Frau für Sex bezahlt.“ Und die Zuwendungen an seine Partygespielinnen? „Die haben mit Sex nichts zu tun. Sie entspringen allein meinem großen Herzen. Die Frauen steckten in wirtschaftlichen, beruflichen Schwierigkeiten, ich konnte helfen und ich wollte es. Ich bin für sie wie die Caritas: Ich bezahle chirurgische Eingriffe, den Zahnarzt, die Studiengebühren, teilweise den Hauskredit ihrer Eltern.“

Auf Indizien angewiesen

Und Ruby, die Kapriziöse, die damals Minderjährige? Sie hat mit ihren – milde gesagt – schillernden „Aussagen“ alle derart irritiert, dass im Prozess gegen Berlusconi sowohl Verteidigung als auch Anklage auf ihre Vernehmung lieber verzichteten. Die Staatsanwälte blieben auf Indizien angewiesen; darin liegt ihre Schwäche. Beweist etwa die (durch Handyortung belegte) nächtliche Anwesenheit Rubys in Berlusconis Villa auch schon jenen „bezahlten sexuellen Kontakt“, den die Staatsanwaltschaft unterstellt? Für eine Verurteilung ist das gar nicht nötig: „Prostitution mit Minderjährigen“ gilt in Italien schon dann, wenn die betreffende Person an einem Ort war, wo sich bezahlte Sexualität abgespielt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Silvio Berlusconi
Außenpolitik

Berlusconi: Attacken gegen „politisierte“ Justiz

Der Ex-Premier kämpft um sein politisches Überleben. Er könnte nach dem Urteil versucht sein, die Koalition in Rom zu stürzen.
BerlusconiLager ruft Widerstand gegen
Außenpolitik

Berlusconi-Lager ruft zu Widerstand gegen Urteil auf

Der verurteilte Medienzar will selbst an einer Solidaritätsdemo für ihn in Rom teilehmen. Die Regierung Letta fürchtet um die Unterstützung seines Blocks.
RubyProzess Berlusconi fasst sieben
Außenpolitik

Ruby-Prozess: Berlusconi fasst sieben Jahre Haft aus

Italiens Ex-Premier wurde in erster Instanz wegen Sex mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauch verurteilt. Das Gericht untersagte ihm die Ausübung öffentlicher Ämter. "Ein Staatsstreich", findet ein Parteifreund.
Die Schönen und der…

Berlusconis Schicksalsfrauen


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.