Ruby-Prozess: Berlusconi fasst sieben Jahre Haft aus

RubyProzess Berlusconi fasst sieben
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Italiens Ex-Premier wurde in erster Instanz wegen Sex mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauch verurteilt. Das Gericht untersagte ihm die Ausübung öffentlicher Ämter. "Ein Staatsstreich", findet ein Parteifreund.

Rom. Das Gericht in Mailand spannte Silvio Berlusconi und die Öffentlichkeit am Montag auf die Folter. Am späten Vormittag zog es sich zurück – und ließ alle warten: hunderte Journalisten, die sich vor dem Justizpalast versammelt hatten; die Staatsanwältin und Chefanklägerin Ilda Boccassini, der man wegen ihrer roten Mähne den Spitznamen  „Die rote Ilda“ verpasst hat, und die dem letzten Verhandlungstag fernblieb; und nicht zuletzt den Angeklagten selbst, der nicht persönlich zur Urteilsverkündung erschien, sondern in seiner Villa San Martino in Arcore den Richterspruch abwartete. Also dort, wo die „Bunga-Bunga“ Parties stattgefunden haben sollen.

Die beiden Protagonisten gehörten zu den wenigen, die sich den „Prozess des Jahres“ entgehen ließen. Als die Nachricht vom Schuldspruch – sieben Jahre Haft und ein lebenslanges Politikverbot für den 76-Jährigen für Prostitution mit einer Minderjährigen und für Amtsmissbrauch – dann am späten Nachmittag nach draußen drang, stimmten Demonstranten vor dem Justizpalast fröhlich das Partisanenlied „Bella Ciao“ an. Das Gericht sah es also als erwiesen an, dass es in der Villa des damaligen Regierungschefs unter der Bezeichnung „Bunga-Bunga“ zu wilden Seoxorgien und „organisierter Prostitution“ gekommen sei.

Sofort in Berufung

Der Berlusconi-Abgeordnete Gianfranco Rotondi sprach rundheraus von einem „Staatsstreich“. Berlusconis Anwalt, der ebenfalls zum PDL gehörende Abgeordnete Niccolo Ghedini zeigte sich vom Urteil keineswegs überrascht und kündigte geradezu reflexartig Berufung an: „Es handelt sich um ein Urteil, das komplett jenseits der Realität und der Logik liegt. Wir sagen ja schon seit zwei Jahren, dass der Prozess niemals in Mailand hätte stattfinden dürfen.“ Berlusconi und seine Anwälte werfen den Mailänder Richtern seit Langem Befangenheit gegenüber dem Ex-Premier vor. Juristisch bedeutet der Gang in die Berufung, dass das gestrige Urteil nicht rechtskräftig ist und Berlusconi weiter als unschuldig gilt.

Das Urteil gegen Berlusconi stellt eine weitere schwere Belastung für die ohnehin wenig stabile Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta dar. Berlusconi hat zwar vor der Urteilsverkündung versichert, dass er die von seiner Partei PDL unterstützte Große Koalition nicht wegen einer Verurteilung im Ruby-Prozess werde fallen lassen. Doch dieses Versprechen gilt bestenfalls auf Zeit.

„Zwischen den Mitte-rechts-Wählern und Berlusconi existieren eine moralische Verbindung und ein tiefes Zusammengehörigkeitsgefühl. Wer glaubt, dass wir das Schicksal der Regierung von dem Berlusconis trennen können, der hat nichts von unserer Geschichte begriffen“, betonte gestern der PDL-Senator Sandro Bondi, einer der engsten politischen Berater des Ex-Premiers. Stürzt Berlusconi, stürzt die Regierung.

Bedrohlicher Mediaset-Prozess

Viel bedrohlicher für den Cavaliere – und damit für die Regierung Letta – ist der Mediaset-Prozess: In diesem Verfahren ist Berlusconi wegen Steuerbetrugs Anfang Mai in zweiter Instanz zu vier Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Amtsverbot verurteilt worden. Das Urteil des Kassationshofes – der dritten und letzten Instanz – wird im Herbst erwartet. Sollte das bestehende Urteil bestätigt werden, wie Berlusconi befürchtet, wäre dies sein politisches Ende. Und spätestens dann wären auch die Tage der Regierung gezählt.

(Die Presse am Dienstag, 25.06.2013)

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