Parlamentswahl: Albanien steht vor Machtwechsel

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Der Block um Sozialist Rama liegt nach 20 Prozent ausgezählter Stimmen vor Berishas Regierungslager. Eine Schießerei überschattete den Urnengang.

Bei der Parlamentswahl in Albanien lassen die bisherigen Auszählungsergebnisse auf einen Sieg des Oppositionsblocks um die Sozialisten (PS) von Edi Rama schließen. Die Allianz für ein Europäisches Albanien des Ex-Bürgermeisters von Tirana liegt bei einem Auszählungsstand von 20 Prozent laut Medienberichten in elf der zwölf Wahlkreise vorne - mit einer Ausnahme selbst in den nördlichen Hochburgen der regierenden Demokraten (PD) von Ministerpräsident Sali Berisha.

Beide Seiten hatten bereits kurz nach Wahlschluss am gestrigen Sonntag ihren Sieg verkündet. "Die 'Wiedergeburt' hat gewonnen", sagte Rama auf einer Pressekonferenz in Tirana vor Anhängern, die "Sieg" skandierten, in Zitierung seines Wahlslogans. Berisha ließ wissen: "Ich bin von unserem großen Sieg überzeugt."

Vor allem für Rama (48), aber auch für den seit acht Jahren amtierenden Berisha, geht es bei der Wahl um das politische Überleben. Rama konnte Berisha bei der Parlamentswahl vor vier Jahren nicht ablösen; bei den Lokalwahlen 2011 verlor der PS-Chef zudem seinen Bürgermeister-Posten. Verliert er die Wahl, dürften auch seine Tage als Parteivorsitzender gezählt sein.

Berisha wollte vor der Wahl nicht sagen, ob er bei einer Niederlage in der Politik bleibt. Wenn er abgewählt wird, müsste er sich mit der Rolle des Oppositionsführers begnügen; bei der nächsten regulären Wahl, bei der er wieder an die Macht kommen könnte, wäre er 73 Jahre alt.

Kein Mann hat die albanische Politik seit dem Ende der kommunistischen Diktatur geprägt wie Berisha, einstiger Kardiologe des kommunistischen Diktators Enver Hoxha: 1997 war er in seiner schwärzesten Stunde nach krassen Unregelmäßigkeiten bei einer Wahl und dem Zusammenbruch dubioser Finanzgesellschaften, die viele Albaner um ihre Ersparnisse und das Land an den Rand des Bürgerkriegs brachten, als Staatspräsident zurückgetreten. 2005 feierte der heute 68-Jährige ein fulminantes Comeback als Regierungschef.

Ein positives Bild gewannen österreichische Wahlbeobachter im Rahmen einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom bisherigen Wahlverlauf. "Ich habe nichts beobachten können, was falsch gelaufen wäre", sagte der ÖVP-Nationalrat Wolfgang Großruck im Telefongespräch. Schon vor vier Jahren sei die Parlamentswahl "gut" abgewickelt worden, dieses Mal habe sich aber auch die Stimmung beruhigt: Die Polarisierung zwischen Regierung und Opposition sei zwar weiterhin vorhanden. Die Menschen ließen sich dadurch aber "nicht mehr so leicht in Rage bringen".

Beisitzer erschossen

Der Urnengang war jedoch von einer Bluttat überschattet. Ein Beisitzer wurde bei einem Wahllokal erschossen. Bei früheren Wahlen gab es allerdings mehrere Tote schon im Wahlkampf. Die EU hat Wahlen nach europäischen Standards zur Bedingung gestellt, damit sie Albanien nach zwei Ablehnungen den Status eines EU-Beitrittskandidaten zuerkennt. Der EU-Botschafter in Tirana, Ettore Sequi, bezeichnete die Gewalt als inakzeptabel. "Aus meiner Sicht hat Albanien den Kandidatenstatus verdient", meinte Großruck, der schon mehrmals Wahlen in dem Land beobachtet hat.

Hinsichtlich des Problems, dass die Zentrale Wahlkommission wegen eines Streits zwischen den Politlagern derzeit ein Rumpfgremium aus vier von der Regierung nominierten Mitgliedern ist, es aber mindestens fünf Mitglieder bräuchte, um die Wahlergebnisse zu bestätigen, verwies Großruck auf das der Kommission übergeordnete Wahlkollegium, das diese Aufgabe übernehmen könnte. Mitglieder des Kollegiums hatten auf Facebook allerdings ihre Sympathie für Rama bekundet. Berisha könnte das Gremium daher als befangen ablehnen.

Keine Wahlen in Albanien seit Ende der kommunistischen Diktatur haben westliche Wahlbeobachter wirklich zufriedengestellt. Meist endeten sie damit, dass die beiden großen Parteien sich gegenseitig des Wahlbetrugs beschuldigten und einen Sieg des jeweils anderen nicht anerkennen wollten. Aber auch der Grüne Nationalrat Karl Öllinger sprach gegenüber der APA dieses Mal von einem "sehr korrekten und professionellen Verlauf" in den Wahllokalen im südlichen Vlora, wo er anwesend gewesen sei.

Die Beteiligung betrug laut Wahlkommission knapp 54 Prozent.

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