USA forderten Snowdens Auslieferung

Intervention in Wien. Boliviens Präsident Morales musste in Schwechat notlanden. NSA-Enthüller Snowden war in seinem Jet vermutet worden. US-Botschafter verlangte in einem Telefonat mit dem Außenamt, ihn auszuliefern.

Wien. Die Falcon 900 hätte Österreich nur überfliegen sollen. Doch dann meldeten die Piloten angeblich Probleme mit der Treibstoffanzeige und baten um Landeerlaubnis in Wien-Schwechat. An Bord der aus Moskau kommenden Maschine mit der Aufschrift „Estado plurinacional de Bolivia“: Präsident Evo Morales.

Sie landete gegen 23 Uhr. Kurz danach ging im Wiener Außenamt ein dringlicher Anruf ein. Am anderen Ende der Leitung: US-Botschafter William Eacho. Wie „Die Presse“ erfuhr, behauptete er mit großer Bestimmtheit, dass Edward Snowden an Bord sei, der von den USA gesuchte Aufdecker jüngster Abhörskandale. Eacho habe auf eine diplomatische Note verwiesen, in der die USA die sofortige Auslieferung Snowdens verlangten.

Snowden befand sich seit 23. Juni auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Und Morales hatte an einer Energiekonferenz in der russischen Hauptstadt teilgenommen und dort öffentlich mit dem Gedanken gespielt, dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Asyl zu gewähren. Sein Flugzeug war aber offenbar von Vnukovo gestartet, einem anderen Moskauer Airport.

Jet wurde in Wien kontrolliert

Nach der Landung in Wien beschuldigte Boliviens Verteidigungsminister Frankreich und Portugal, ihren Luftraum gesperrt zu haben. Offiziell aus „technischen“ Gründen, tatsächlicher Grund sei aber das Gerücht über Snowden gewesen. Bald hieß es, auch Italien und Spanien hätten ihren Luftraum gesperrt. Spanien dementierte dies am Nachmittag heftig, auch Frankreich wies Boliviens Darstellung zurück, Italien äußerte sich nicht. Die Luftraumüberwachungsbehörde Austro Control, die mit ihren Pendants in anderen Ländern ständig in Austausch steht, bestätigte jedoch, dass es Sperren gegeben habe.

Spanien forderte angeblich – auch das wird bisher nur von Bolivien behauptet und von Madrid dementiert –, den Jet während eines Tankstopps auf den Kanaren durchsuchen zu dürfen, was Morales entrüstet ablehnte. In Wien wurde er aber tatsächlich durchsucht, in einer „freiwilligen Nachschau“. Morales habe dazu sein Einverständnis gegeben, sagte Außenminister Michael Spindelegger. Dennoch meinte am Nachmittag Boliviens Botschafter bei der UNO in Genf, Österreich habe mit der Durchsuchung „einen Akt der Aggression“ begangen und das Völkerrecht verletzt, man werde bei der UNO Klage einreichen.

Wie genau nachgeschaut wurde, ist freilich nicht klar, angeblich hat ein mit Morales bekannter Beamter des Innenministeriums die Sache eingefädelt. Spindelegger, der kurz nach Bundespräsident Heinz Fischer nach Schwechat geeilt war, beteuerte am Vormittag in seltener Eindeutigkeit: „Ich kann ausschließen, dass jemand an Bord war, der nicht bolivianischer Staatsbürger war.“ Das habe ihm auch Morales versichert.

In Österreich war übrigens nie eine Luftraumsperre für den bolivianischen Jet beantragt worden.

„Habe Snowden nie getroffen“

„Wie kann man sich vorstellen, dass ich jemanden an Bord der Präsidentenmaschine mitnehme?“, fragte Morales bei einer seiner am Ende fast stündlichen Pressekonferenzen. Er habe Snowden nie getroffen, sagte er und feixte, er wisse gar nicht, wie man den Namen ausspreche. Überhaupt wirkte Morales recht entspannt. In lockerer Pose wetterte er über das „Komplott“ der USA gegen Lateinamerika und erzählte, wie sich der spanische Botschafter in Wien auf einen Kaffee im Flugzeug habe einladen wollen: „Ich habe ihm gesagt: Wir brauchen keine Kontrollen.“

Gegen elf trat Evo Morales ein letztes Mal aus der braunen Tür, dankte Österreich für die Gastfreundschaft und holte zum finalen Verbalschlag gegen die USA aus. Es sei Zeit für die europäischen Länder, sich zu befreien: „Das Zeitalter der Imperien ist vorbei.“ Morales' Zwischenstopp in Wien auch, er hat mehr als zwölf Stunden gedauert. Minuten später brachten schwarze VIP-Wagen Präsident und Entourage zum Flieger. Morales winkte noch einmal, dann setzt sich der Jet langsam Richtung Startbahn in Bewegung.

Doch kaum war er in der Luft, war von Gastfreundschaft nicht mehr die Rede: Österreich habe die Präsidentenmaschine „gekidnappt“, wetterte Boliviens Botschafter bei der UNO in Genf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2013)

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