Mehr als 50 Tote: "Massaker" erschüttert Kairo

Massaker Kairo Muslimbrueder rufen
Massaker Kairo Muslimbrueder rufen
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Ägypten driftet in den Bürgerkrieg. Dutzende Islamisten wurden in Kairo erschossen. Die Al-Nour-Partei torpedierte daraufhin die Regierungsbildung. Und die Muslimbrüder riefen offen zum Aufstand auf.

In Ägypten haben sich am Montag bürgerkriegsähnliche Szenen abgespielt: Schon in den frühen Morgenstunden wurden bei einer Schießerei vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garde Dutzende Mursi-Anhänger erschossen. Die Muslimbruderschaft des abgesetzten Präsidenten rief daraufhin offen zum Aufstand gegen die Armee auf. Und die Al-Nour-Partei zog sich aus den ohnehin schwierigen Verhandlungen über eine Regierungsbildung zurück. Dabei waren die Salafisten die einzige islamistische Kraft im Land, die den Militärputsch offen unterstützt hatte. Doch bereits am Wochenende verhinderten sie den liberalen Oppositionellen Mohammed ElBaradei als Übergangs-Premier.

Die Salafisten warfen der Armee ein "Massaker" an den vor dem Sitz der Republikanischen Garde demonstrierenden Muslimbrüdern vor - wie übrigens auch die Regierung in der Türkei. Die Führung der Muslimbrüder behauptete gar, die Armee hätte betende Mursi-Anhänger gezielt mit Kopfschüssen getötet. Ganz anders hört sich die Darstellung der Armee an: Demnach seien "bewaffnete Terroristen" für den Zwischenfall verantwortlich. Übergangs-Präsident Adli Mansour kündigte eine unabhängige Untersuchung des Blutbads mit mindestens 51 Toten an.

Die Justiz goss indes Öl ins Feuer und ordnete die Schließung der Zentrale der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit an. Sie ist der politische Arm der Muslimbrüder. Zudem wurden 200 Bewaffnete vorübergehend festgenommen. Das Militär zeigte in Kairo auch weiter große Präsenz. Die Demonstranten wurden aufgerufen, sich von Militäreinrichtungen fernzuhalten. In einer dieser Gebäude soll nach Medienberichten auch der abgesetzte Präsident Mursi festgehalten werden.

Der Ticker in der Nachlese:

17:12 Uhr: Großimam zieht sich zurück

Der oberste sunnitische Glaubenslehrer in Ägypten zieht sich zurück. Großimam Ahmed al-Tajeb teht in Klausur. Die derzeitige Übergangsregierung dürfe allenfalls sechs Monate im Amt bleiben. Er werde sich bis zum "Ende der Gewalt" aus dem öffentlichen Leben fernhalten.

16.01 Uhr: Iran verurteilt Putsch

Die Militärintervention sei "inakzeptabel", erklärte der Sprecher des Außenministeriums in Teheran - und sah zugleich ausländische Kräfte am Werk: "Der Westen und und das Zionisten-Regime wollen kein starkes Ägyspten."

15.58 Uhr: Zahl der Toten steigt auf 51

Die Behörden haben die Angaben der Todesopfer vor dem Sitz der Republikanischen Garden noch einmal nach oben korrigiert: Demnach wurden 51 Menschen in den Tod gerissen.

15.40 Uhr: Großscheich warnt vor Bürgerkrieg

Nach der Gewaltwelle mit mindestens 42 Toten vor dem Sitz der Republikanischen Garde hat sich einer der einflussreichsten Geistlichen des Landes zu Wort gemeldet: Der Großscheich der Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyib, warnte vor einem Bürgerkrieg. Den Putsch in der Vorwoche hatte er noch offen unterstützt.

15.20 Uhr: Deutscher n-tv-Reporter in Gewahrsam

Bei den Unruhen in Kairo ist ein deutscher Korrespondent des Nachrichtensenders n-tv gemeinsam mit seinem Team stundenlang von Sicherheitskräften festgesetzt worden. "Wir kommen frei", schrieb Reporter Dirk Emmerich am Montag über Twitter. "Nach sieben Stunden in Gewahrsam von Armee, dann Polizei. Keine Begründung wie schon bei Verhaftung nicht. Keine Auflagen."

Der Fernsehsender n-tv hatte berichtet, Emmerich und seinen Mitarbeitern seien Pässe und Kameras abgenommen worden. Dem Korrespondenten sei aber erlaubt worden, mit n-tv zu telefonieren. Aus dem Gewahrsam schrieb Emmerich per Twitter: "Polizei fragt, warum wir verhaftet wurden. Möchte ICH von denen wissen."

14.41 Uhr: Was geschah vor dem Sitz der Republikanischen Garde wirklich?

Die Muslimbrüder behaupten, die Armee hätte auf Pro-Mursi-Demonstranten das Feuer eröffnet. Augenzeugen berichten nun, das Militär habe lediglich Tränengas eingesetzt und Warnschüsse abgegeben.  Sie machten "Schläger" in Zivil für die Gewalt verantwortlich. Unter den Augenzeugen waren auch Unterstützer der Muslimbruderschaft. Die Armee hatte ebenfalls erklärt, "bewaffnete Terroristen" seien für das Blutbad verantwortlich.

13.42 Uhr: Präsident meldet sich zu Wort

Der interimistische Staatschef Adli Mansour hat eine Untersuchung der tödlichen Zusammenstöße vor dem Sitz der Republikanischen Garde angeordnet. Eine unabhängige Kommission kommt zum Einsatz.

13.10 Uhr: "Übergriffe auf Christen"

Im Schatten der Ausschreitungen rund um die Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi hat es in den vergangenen Tagen in mehreren Teilen Ägyptens Übergriffe auf Angehörige der christlichen Minderheiten gegeben, das berichtete die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) am Montag. Die Menschenrechtsorganisation fordert daher von der kommenden ägyptischen Übergangsregierung mehr Schutz für religiöse Minderheiten. Im Nordsinai war am Wochenende ein koptischer Priester von maskierten Angreifern beim Verlassen seiner Kirche erschossen worden.

12.35 Uhr: Ein Bild vom Schauplatz der Schießerei mit mindestens 42 Toten

Der Tatort nahe des Hauptquartiers der Republikanischen Garde
Der Tatort nahe des Hauptquartiers der Republikanischen Garde

12.20 Uhr: Wo ist Mursi?

Der abgesetzte ägyptische Präsident befindet sich nicht mehr im Hauptquartier der Republikanischen Garde. Mittlerweile sei Mursi in eine andere militärischen Einrichtung gebracht worden und werde nun dort festgehalten, berichtet AP. Vor dem Sitz der Republikanischen Garde waren am Montag Dutzende Demonstranten erschossen worden.

12.05 Uhr: Justiz sperrt Parteibüro der Muslimbrüder

Die ägyptische Justiz ordnet die Schließung der Zentrale der islamistischen Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, dem politischen Arm der Muslimbrüder, an. In dem Gebäude in der Hauptstadt Kairo seien Messer, brennbare Flüssigkeit und andere Waffen gefunden worden, die gegen Demonstranten eingesetzt werden sollten, erklärte ein Vertreter der Sicherheitskräfte am Montag.

11.50 Uhr: Muslimbrüder rufen zum Aufstand auf

Der politische Arm der Muslimbrüder - die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit - ruft nach der Schießerei offen zum Aufstand gegen die Armee auf. "Sie wollen unsere Revolution mit Panzern stehlen."

11.38 Uhr: Spindelegger: "Rasche Neuwahlen"

Die österreichischen Behörden sind darauf vorbereitet, im Fall von Krisensituationen Staatsbürger aus Ägypten zu evakuieren. Das versicherte VP-Außenminister Michael Spindelegger am Montag. In den klassischen Urlaubsorten am Meer sehe man noch keine Gefahr, aber auch das werde täglich neu beurteilt. Insgesamt betonte der Außenminister, dass aus seiner Sicht Neuwahlen in Ägypten möglichst schnell abgehalten werden sollten. Denn eine Militärintervention sei kein wünschenswerter Zustand.

11.32 Uhr: ElBaradei verurteilt die Gewalt

Mohamed ElBaradei forderte eine unabhängige Unersuchung des Blutbads Auf Twitter schrieb der Friedensobelpreisträger, er verurteile Gewalt in jeder Form- unabhängig davon, welchen Glaubens oder Herkunft die Opfer sind. ElBaradei hätte Übergangs-Premier werden sollen, was aber die Salafisten ablehnten. Zuletzt hieß es, der Oppositionelle könnte Vizepräsident werden.

11.20 Uhr: Auch Türkei spricht von "Massaker"

Ahmet Davutoglu verurteilte die Schießerei vor dem Sitz der Republikanischen Garde mit 42 Toten. Der türkische Außenminister sprach von einem Massaker an betenden Demonstranten. Die Türkei hatte bereits den Militärputsch als "inakzeptabel" bezeichnet.

11.07 Uhr: Die Gegenspieler im Porträt:
--> Muslimbrüder: Flexible Islamisten
--> Armee: Ein Staat im Staat

10.48 Uhr: Islamisten durch "Kopfschüsse" getötet

Ein Sprecher der Muslimbrüder schilderte ein Massaker: "Einigen wurde in den Kopf geschossen. Das ist einfach ein gegen Demonstranten gerichteter krimineller Akt. Jede Polizei der Welt weiß doch, wie man ein Sit-in auflöst", erklärt Gehad Haddad gegenüber Al-Jazeera. Die Armee behauptet dagegen, es habe einen "terroristischen Angriff" auf einen Sitz der Republikanischen Garde gegeben.

10.38 Uhr: Mursi-Anhänger tragen die Leiche eines in den Morgenstunden getöteten Islamisten

Kairo Salafisten torpedieren nach
Kairo Salafisten torpedieren nach(c) Reuters

10.22 Uhr: 200 Bewaffnete festgenommen

Nach der Schießerei nahm die Armee nach eigenen Angaben 200 Bewaffnete fest. Sie sollen bei einem Angriff auf einen Sitz der Republikanischen Garde beteiligt gewesen sein.

10.07 Uhr: Schießerei riss 42 Menschen in den Tod

Nach Angaben des Staatsfernsehens steigt die Zahl der Toten bei der Schießerei vor einer Militäreinrichtung der Republikanischen Garde auf 42. Die Demonstranten vermuteten, dass der abgesetzte Präsident Mursi in dem Gebäude festgehalten wird.

(jst/APA/Reuters/dpa/AFP)

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