Russisches Gericht verurteilt toten Regierungskritiker

Nataliya Magnitskaya (L), mother of Sergei Magnitsky, grieves over her son 's body during his funeral at a cemetery in Moscow in this file photo
Nataliya Magnitskaya (L), mother of Sergei Magnitsky, grieves over her son 's body during his funeral at a cemetery in Moscow in this file photoREUTERS
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Der Anwalt Sergej Magnitskij war 2009 unter qualvollen Umständen in Untersuchungshaft gestorben. Nun verurteilte ihn ein Moskauer Gericht posthum wegen Steuerbetrugs.

Erneut sorgt die russische Justiz mit einem Urteil in einem umstrittenen Prozess für Aufsehen: Ein Gericht in Moskau verurteilte am Donnerstag den 2009 unter qualvollen Umständen in Untersuchungshaft gestorbenen Anwalt Sergej Magnitskij wegen Steuerbetrugs. Menschenrechtler werfen der Justiz vor, damit den Ruf des Regierungskritikers posthum noch ruinieren zu wollen.

Sergej Magnitskij war 2009 mit 39 Jahren in Haft gestorben. Er litt an Diabetes und Hepatitis, als offizielle Todesursache wurden Herzschwäche und ein Blutgerinnsel angegeben. Seine Familie und frühere Kollegen werden den Behörden vor, den Anwalt zu Tode gefoltert zu haben. Auch ein Untersuchungsbericht des Menschenrechtsrates des russischen Präsidenten, einer offiziellen Einrichtung des Kreml, kam zum Schluss, dass Magnitskij in der Haft Misshandlungen ausgesetzt war. Zu diesen Vorwürfen wurde zwar ebenfalls ermittelt, doch die Justiz stellte die Untersuchungen am 19. März 2013 ein. Es gebe keinen Hinweis auf ein Verbrechen, teilte die oberste Ermittlungsbehörde damals in Moskau mit. Man habe weder Spuren von Folter noch von anderer physischer Gewalt entdeckt.

USA verhängten Einreisverbote

Magnitskij hatte sich die Staatsmacht zum Feind gemacht, als er Offiziere des Innenministeriums beschuldigte, den Staat um umgerechnet 230 Millionen US-Dollar geprellt zu haben. Wenig später wurde er festgenommen.

Der Anwalt handelte im Auftrag des britischen Investors William Browder, den das Gericht am Donnerstag in Abwesenheit ebenfalls verurteilte: zu neun Jahren Lagerhaft wegen Steuerhinterziehung in großem Ausmaß. Browder hatte im großen Stil in Russland investiert und sich als Shareholder-Aktivist Anteile an russischen Staatsfirmen gesichert. 2006 musste er Russland verlassen. Seit dem Tod Magnitskijs kämpft Browder mit Anwälten und einer internationalen Kampagne gegen die russische Justiz. Zu dem Gerichtsurteil sagte er gestern: "Dieser Schauprozess bestätigt, dass Wladimir Putin bereit ist seine internationale Glaubwürdigkeit zu opfern, um korrupte Beamten zu schützen."

Magnitskijs Angehörige betrachteten den Prozess als unrechtmäßig, da er ohne ihre Einwilligung, der es bedurft hätte, von den russischen Behörden neu aufgerollt wurde.

Der Fall sorgt auch seit Jahren für internationale Aufregung und Spannungen zwischen den USA und Russland. Die USA haben gegen Funktionäre, die in das Vorgehen gegen Magnitskij involviert waren, Einreiseverbote und Kontosperren verhängt.

Oppositioneller Nawalnyi vor Gericht

Umstritten ist auch das Vorgehen der russischen Justiz  gegen den Oppositionellen Alexej Nawalny, gegen den in mindestens fünf Fällen ermittelt wird. In einem ersten Prozess, in dem es um Veruntreuung in großem Stil geht, steht Nawalny seit April vor Gericht. Nawalny bezeichnet die Vorwürfe als völlig aus der Luft gegriffen. Die Staatsanwaltschaft forderte vergangene Woche sechs Jahre Haft. Eine Verurteilung, mit der Nawalny rechnet, würde seine Absichten, bei der Moskauer Bürgermeisterwahl am 8. September anzutreten.

(APA/Reuters/DPA/red.)

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