Snowden bittet Putin nun doch um Asyl

NSA-Skandal. Der Whistleblower zeigt sich. Er will in Russland bleiben – zumindest vorerst. Das langfristige Ziel bleibt aber Lateinamerika.

Wien. Das gut frisierte Haar ist etwas länger, vielleicht hat er auch ein paar Kilo abgenommen. Doch so richtig mitgenommen sieht Edward Snowden auf dem ersten Foto, das ihn seit Wochen zeigt, nicht aus. Er wirkt ähnlich gefasst, wie ihn die Öffentlichkeit von seinem weltbekannten „Guardian“-Video kennt. Selbst das Hemd, das auf den schmalen Schultern des Brillenträgers sitzt, ähnelt jenem aus dem Video. Am Freitag ist der seit 21 Tagen auf dem Flughafen Moskau Scheremetjewo gestrandete Whistleblower wieder kurz aufgetaucht – und sorgte sogleich für Aufsehen: Er werde nun doch um Asyl in Russland ansuchen, teilte Snowden während eines Treffens mit Politikern und Menschenrechtsaktivsten (von Amnesty International, Human Rights Watch) auf dem Flughafen mit.

„Rechtswidrige Kampagne“

Der Enthüller mehrerer US-Spionageskandale hatte schon einmal um Asyl in Russland angesucht. Doch Kremlchef Wladimir Putin stellte dem 30-Jährigen damals – mit Sinn für Ironie – als Bedingung, er dürfe „dem amerikanischen Partner nicht weiter schaden“. Also keine Enthüllungen mehr. Snowden verzichtete. Doch seither sind elf Tage vergangen. Und der Whistleblower sitzt noch immer in der Transitzone fest, verbringt seine Nächte noch immer im Airport Hotel und hat noch immer keine gültigen Papiere. All das dürfte nun zum Meinungsumschwung geführt haben. Zumal die USA dem IT-Techniker in der Zwischenzeit auch deutlich gemacht haben, wie ernst sie es mit seiner Ergreifung meinen: Um den „Verräter“ (so sieht das Gros der US-Politiker Snowden) dingfest zu machen, wurde selbst die Zwischenlandung einer Präsidentenmaschine erzwungen. Snowden nannte den unfreiwilligen Stopp von Boliviens Präsident Evo Morales in Wien-Schwechat nun in einem Schreiben an NGOs „einzigartig in der Geschichte“ und geißelte die „rechtswidrigen Kampagnen“, durch die Washington sein Recht auf Asyl torpediere. Wie berichtet, haben die USA Snowden fälschlicherweise an Bord der bolivischen Maschine vermutet. Nicht, dass ihn Morales nicht gern an Bord gehabt hätte. Die Regierung in La Paz hat wie jene Venezuelas, Nicaraguas und Boliviens Snowden Asyl angeboten. Doch der Whistleblower kommt nicht vom Fleck. Vorerst dann also Asyl in Moskau. Wenn möglich will Snowden aber weiter nach Lateinamerika, twitterte WikiLeaks am Freitag. Die Enthüllungsplattform muss es wissen: WikiLeaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison begleitet Snowden seit Wochen. Auch am Freitag saß sie an seiner Seite.

Noch ist Snowdens Asylantrag formal nicht eingegangen. Doch der Kreml richtete dem 30-Jährigen wohlweislich aus, dass sich an den Bedingungen nichts geändert habe. Der 30-Jährige müsse vollständig auf Enthüllungen verzichten, die den USA Schaden zufügen, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, gegenüber der Agentur Interfax. Nach Angaben des Parlamentsabgeordneten Wjatscheslaw Nikonow wolle Snowden die Bedingungen annehmen. Nikonow hat ebenfalls an dem Treffen teilgenommen haben.

Während Putin mit der „heißen Kartoffel“ Snowden also noch weiter jonglieren muss, hatte sich die Regierung von US-Präsident Barack Obama in Washington am Freitag erneut für Snowdens Enthüllungen zu rechtfertigen. Denn der deutsche CSU-Inneninminister Hans-Peter-Friedrich wollte „Klartext“ über die flächendeckenden Spähangriffe reden, wie er im Vorfeld etwas großmundig ankündigte. Sein erster Gesprächspartner, die amerikanischen Sicherheitsberaterin Lisa Monaco, gelobte nach dem Treffen, die USA würden die deutschen Behörden künftig besser unterrichten. Wie einige Enthüllungen in der Vorwoche nahelegten, dürften die US-Spähprogramme der deutschen Politik aber auch schon bisher nicht gänzlich unbekannt gewesen sein.

Auf einen Blick

NSA. Das Siegel der National Security Agency zeigt einen Adler, der einen Schlüssel in seinen Krallen hält (siehe Montage Seite 1). Der mit geschätzten 38.000Mitarbeitern größte Militärnachrichtendienst der USA ist weltweit für die Entschlüsselung und Überwachung elektronischer Kommunikation zuständig. Seine Wurzeln reichen bis in den Zweiten Weltkrieg. Offiziell gegründet wurde die NSA 1952. Ihr Auftrag lautete, ausländische Nachrichtenverbindungen abzuhören. Ans Tageslicht kamen ihre Aktivitäten erstmals 1982 in einem Buch von John Bamford. Nun deckte der ehemalige Mitarbeiter Edward Snowden auf, wie die NSA weltweit Daten absaugt, sammelt und analysiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)

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