Bereits in einigen Tagen sollen in Washington die neuen Verhandlungen über Frieden zwischen Israelis und Palästinensern starten. Beide Seiten mussten im Vorfeld bisherige, hart umkämpfte Positionen aufgeben.
Jerusalem. Der Marathon der Pendeldiplomatie von US-Außenminister John Kerry trägt Früchte. Nach jahrelanger Eiszeit wollen sich Israelis und Palästinenser erneut an den Verhandlungstisch setzen. Schon in dieser Woche soll es losgehen. Mit dem Auftrag, ihre Völker zu vertreten, reisen Israels Justizministerin Tzipi Livni und der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat nach Washington. Fernab vom Ort des Geschehens und unter Ausschluss der Öffentlichkeiten haben die beiden alten Hasen in Sachen Diplomatie neun Monate Zeit, um sich zu einigen.
Der letzte Anstoß für den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu, dem Drängen Kerrys nachzugeben, war die EU-Entscheidung, jede Kooperation mit Akademien und Forschungseinrichtungen in jüdischen Siedlungen einzustellen. Über Wochen hatte die israelische Regierung die EU davor gewarnt, die Anstrengungen Kerrys möglicherweise zu sabotieren. Genau das Gegenteil passierte schließlich. Netanjahu rückte schließlich von seiner Forderung an die Palästinenser ab, als Vorbedingung für Gespräche Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Umgekehrt musste der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas zwei bittere Pillen schlucken: Einen offiziellen Baustopp in den Siedlungen wird es nicht geben, und die Bedingung, die Verhandlungen auf der Basis der Waffenstillstandslinie von 1967 aufzunehmen, konnte er ebenso wenig durchsetzen.
Mit Rückendeckung der Arabischen Liga, die den Verhandlungen auch ohne Baustopp in den Siedlungen grünes Licht gab, setzte Kerry das scheinbar Unmögliche durch. Stundenlange Sitzungen mit der palästinensischen Führung waren nötig. Kerry traf Abbas erst in Amman, dann in Ramallah, telefonierte rund 20-mal mit Netanjahu und verschob den Termin für seine Abreise. Die Anstrengung glückte: Beide Seiten verpflichten sich zu einer auf neun Monate angelegten Verhandlungsrunde. Als erste vertrauensbildende Maßnahme wird Israel zum muslimischen Eid al-Fitr, dem Fest des Fastenbrechens Anfang August, Dutzende palästinensische Häftlinge entlassen.
Von der kurzen Wiederbelebung im Herbst 2010 abgesehen, liegen die letzten Verhandlungen fast fünf Jahre zurück. Die Gespräche sollen fernab vom Konfliktherd und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Je weniger an die Medien durchsickert, desto größer die Chancen, so Kerrys Motto. Bei Israelis und Palästinensern hält sich die Euphorie in Grenzen. Keiner hofft auf ein Wunder, was den Protagonisten am Verhandlungstisch ihre Mission zunächst erleichtern dürfte.
Hamas lehnt neue Gespräche ab
Die Chefs zu Hause müssen derweil die Opposition in Schach halten. Die islamistische Hamas im Gazastreifen lehnt die Wiederaufnahme von Verhandlungen ab. Allerdings macht der Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und seiner Muslimbrüder der Hamas derzeit größere Sorgen als ein möglicher Frieden mit Israel. Netanjahus politische Gegner sitzen nicht nur in der eigenen Koalition, sondern auch im Likud, trotzdem droht dem israelischen Regierungschef politisch keine Gefahr, denn er könnte, geht es mit dem Frieden voran, auf alternative Koalitionspartner setzen.
Auf einen Blick
Neue Verhandlungen. Israels Premier Netanjahu rückte von seiner Forderung an die Palästinenser ab, als Vorbedingung für Gespräche Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Andererseits wird es zunächst keinen Baustopp in den jüdischen Siedlungen geben, und die Gespräche starten nicht auf der Basis der Waffenstillstandslinie von 1967.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2013)