Norwegen: Stille Trauer um Breiviks Opfer

Norwegen Stille Trauer Breiviks
Norwegen Stille Trauer Breiviks(c) EPA (VEGARD GROTT)
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Zwei Jahre nach den Morden des Rechtsextremen Anders Breivik mahnt Premier Jens Stoltenberg die „Werte der offenen Gesellschaft“ ein.

HANNES GAMILLSCHEG

Kopenhagen/Oslo. Mit bewusst ruhigen Zeremonien hat Norwegen am Montag der Opfer der Terroranschläge vom 22. Juli 2011 gedacht. Premier Jens Stoltenberg forderte seine Landsleute auf, an den Werten festzuhalten, gegen die die mörderischen Attentate gerichtet waren: an Humanität, Vielfalt, Solidarität und „unserer offene und vertrauensvolle Gemeinschaft“. Die sozialdemokratische Jugend AUF, das Hauptziel des rechtsradikalen Massenmörders Anders Breivik, will den 22.Juli zu einem internationalen Kampftag gegen Rassismus und Rechtsradikalismus machen.

Breivik hatte vor zwei Jahren eine Autobombe vor dem Regierungsgebäude in Oslo gezündet und dabei acht Menschen getötet. Anschließend ermordete er auf der Insel Utøya 69 wehrlose Teilnehmer des AUF-Ferienlagers. Für seine Verbrechen wurde er zu 21 Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt, was bedeutet, dass er den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen wird.

Vor dem immer noch hinter Plastikverschalungen verborgenen Regierungsgebäude legte Stoltenberg einen Kranz für die Toten nieder. Seit dem Tag, an dem der Terror Norwegen traf, habe man die Bereitschaft der Sicherheitskräfte systematisch verbessert, sagte der Premier. Doch dies reiche nicht aus. Genauso wichtig wie neue Hubschrauber und mehr Polizei sei die Besinnung auf die Werte der offenen Gesellschaft. „Wir sehen es in Norwegen und den Ländern um uns: Hass wird verbreitet. Juden, Muslime, Homosexuelle, ,die anderen‘ werden bedroht.“ In Europa würden rechtspopulistische Parteien an Zuwachs gewinne. Islamistische Extremisten äußerten ihre Drohungen. „Dagegen müssen wir uns wehren! Kein Extremismus darf sich über die Gesetze erheben, kein Extremist darf uns abschrecken, uns frei zu bewegen, frei zu denken und zu reden.“

Nur Angehörige dürfen auf Insel

Alle müssten Verantwortung übernehmen und von allen Hassideologien und allen Formen von Extremismus Abstand nehmen, sagte Stoltenberg. „Wir dürfen nicht Fremdenangst und Misstrauen verbreiten und müssen wagen, neue Gruppen in unsere Gemeinschaft aufzunehmen, auch solche, die wir nicht kennen.“ In Norwegens gebe es Platz für alle.

Im Dom von Oslo fand im Beisein der Regierung und des Kronprinzenpaares ein Gedenkgottesdienst statt. Die AUF hielt ihre öffentliche Gedenkstunde am Ufer vor Utøya ab. Der Besuch der Insel selbst blieb den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer vorbehalten.

Während der erste Jahrestag der Anschläge vor einem Jahr mit einem riesigen Freiluftkonzert begangen wurde, an dem auch US-Rockstar Bruce Springsteen teilnahm, legten die Veranstalter dieses Mal auf einen gedämpften Rahmen wert. „Natürlich muss des schlimmsten Freitags unserer Geschichte gedacht werden, aber wir müssen den richtigen Maßstab finden“, sagte Jon Hestnes, der Vorsitzende der Opfergruppe, „die Zeit heilt tatsächlich Wunden.“

Während diesmal noch das Gedenken an die Toten im Mittelpunkt stand, steht für den AUF-Vorsitzenden Eskil Pedersen fest, dass künftig der politische Aspekt der Attentate in den Vordergrund treten werde. „Der 22. Juli war ein Anschlag auf unsere Politik für Vielfalt und eine multikulturelle Gesellschaft. Der Täter war ein Rassist und Extremist, der dieses Streben verhindern wollte. Seine Ideen werden von vielen geteilt, das sehen wir in den Kommentarspalten unserer Medien, das sehen wir ringsum in Europa.“ Daher solle der 22.Juli als Tag für den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus international begangenen werden.

Drohungen gegen Politiker

Auch der Sicherheitsdienst PST betrachtet mit Sorge die Verbreitung von radikalem Gedankengut. Die Zahl der Bedrohungen aus extremistischen Milieus gegenüber Politikern habe stark zugenommen, sagte PST-Chefin Benedikte Bjørnland. Vor der Parlamentswahl am 8. September werde der Schutz der Wahlkämpfer erhöht werden.

Auf einen Blick

Am 22. Juli 2011 zündete der Rechtsextreme Andres Behring Breivik eine Autobombe im Regierungsviertel von Oslo. Anschließend fuhr er auf die Insel Utøya, wo ein Ferienlager der sozialdemokratischen Jugend stattfand, und ermordete 69 Menschen. Am Montag gedachte Norwegen dieses Massakers vor zwei Jahren. Premier Jens Stoltenberg rief bei der Trauerfeier dazu auf, dass sich die Gesellschaft gegen jede Art von Extremismus wehren müsse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2013)

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