Tunesien: Salafisten hinter Morden an Politikern?

Stecken Salafisten hinter Morden
Stecken Salafisten hinter Morden(c) EPA (MOHAMED MESSARA)
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Die Regierung vermutet militante Extremisten hinter Mordanschlägen auf Oppositionelle: Mohamed Brahmi und Chokri Belaid wurden mit derselben Waffe ermordet. Als Drahtzieher gilt ein extremistischer Waffenschmuggler.

Wien/Tunis/Ag./E.k. Nach dem Mord an dem tunesischen Abgeordneten Mohamed Brahmi verdichtet sich die Verdachtslage: Wie die Regierung in Tunis am Freitag mitteilte, wurde der hochrangige Gegner der Islamisten mit derselben Waffe ermordet wie vor sechs Monaten der Oppositionspolitiker Chokri Belaid. Das lasse sich durch die ballistische Auswertung der Kugeln an den beiden Tatorten belegen, erläuterte Innenminister Lotfi Ben Jeddou.

Die Ermittler gehen nach ersten Untersuchungen davon aus, dass eine Salafistengruppe hinter den Taten steckt. Als Hauptverdächtiger gilt demnach der Extremist Boubacar Hakim, der bereits wegen Verdachts des Waffenschmuggels aus Libyen gesucht wird. Die Familie Brahmis beschuldigte unmittelbar nach der Tat die regierende islamistische Ennahda-Partei des Mordanschlags auf den Parlamentsabgeordneten. Aus der Ennahda-Zentrale kam ein promptes Dementi: Die Ermordung sei eine „Katastrophe für Tunesien“.

Generalstreik und Flugausfälle

Mohamed Brahmi wurde am Donnerstag vor den Augen seiner Familie auf offener Straße erschossen. Er wurde von elf Kugeln getroffen. Der 58-Jährige gehörte in der verfassungsgebenden Versammlung dem linken, laizistischen Lager an und leitete die Partei Bewegung des Volkes.

Tausende Menschen sind aus Protest gegen den Mord auf die Straße gegangen. Die tunesischen Gewerkschaften protestierten am Freitag mit einem Generalstreik gegen die Bluttat, weswegen auch alle Flüge von und nach Tunesien ausgefallen sind. Selbst der tunesische Gewerkschaftsbund UGTT hatte zum Generalstreik aufgerufen. Er tat dies bisher äußerst selten, zuletzt bei der Ermordung Chokri Belaids.

Belaid wurde am 6.Februar auf ähnliche Weise getötet, der Anschlag löste eine schwere Krise aus. Das nordafrikanische Land war 2011 der Ausgangspunkt des Arabischen Frühlings, in dessen Verlauf die Regimes in Ägypten und Libyen zu Fall gebracht wurden.

Gewerkschaften im Visier

Mohamed Brahmi war weit weniger bekannt als Belaid, galt aber ebenfalls als Gegner der Islamisten – ähnlich wie der Gewerkschaftsbund, dessen Beziehungen zur Regierungspartei derzeit angespannt sind. Die regierenden Islamisten werfen den Gewerkschaften das Schüren von sozialen Konflikten vor – wohl mit Kalkül, denn die Arbeitnehmervertreter haben in Tunesien Gewicht und könnten ein mächtiger Gegner der Islamisten werden. Ennahda-Anhänger haben im Dezember den Sitz des Gewerkschaftsbundes angegriffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2013)

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Mohamed Brahmi soll vor den Augen seiner Familie ermordet worden sein. Er wurde auf der Straße vor seinem Haus von elf Kugeln getroffen.

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