Vier Jahre Haft für Silvio Berlusconi

Berlusconi: Berufungsgericht bestätigt Haftstrafe
Berlusconi: Berufungsgericht bestätigt HaftstrafeEPA
  • Drucken

Italiens Ex-Premier wurde erstmals letztinstanzlich verurteilt. Er sieht sich als "Opfer einer Justizverfolgung ohne gleichen" und will seine Partei neu gründen. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die Regierung haben.

Sieben Stunden tagten am Donnerstag die Richter hinter verschlossenen Türen, prüften jedes einzelne Detail - bevor sie das Urteil verkündeten, das Italiens Politik auf den Kopf stellen könnte: Silvio Berlusconi (76) wurde erstmals in seiner jahrzehntelangen Prozesskarriere letztinstanzlich verurteilt: Zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs.

Ungewöhnlich lange, drei Tage lang, hatten die Kassationsrichter in Rom insgesamt beraten, ob die im Mai verhängte Strafe rechtmäßig sei. Der ebenfalls von einer unteren Instanz verhängte fünfjährige Ausschluss von öffentlichen Ämtern soll aber nocheinmal überprüft werden.

Die Höchstrichter sahen es als erwiesen an, dass Berlusconi über seinen TV-Konzern Mediaset Schwarzgeldkonten im Ausland angelegt hatte, um Steuern zu sparen, Politiker zu bezahlen, Ermittler zu bestechen und Zeugen gefügig zu machen. Ins Gefängnis muss Berlusconi nicht: Drei Jahre der Haft werden wegen eines Strafnachlasses von 2006 allen Verurteilten geschenkt; das vierte Jahr wird Berlusconi wegen seines Alters von mehr als 70 Jahren im Hausarrest verbringen.

"So belohnt Italien die Opfer seiner besten Bürger"

Während Demonstranten gestern Abend in Rom Champagnerflaschen köpften, protestierten Parteifreunde gegen das „falsche, widerrechtliche Urteil". Italien sei „zum Grab für das Recht geworden", sagte ein Abgeordneter.

In der Nacht auf Freitag nahm dann auch der Ex-Premier via Videobotschaft zu dem Urteil Stellung. „Ich bin Opfer einer Justizverfolgung ohne gleichen weltweit", sagte der erschöpft wirkende Berlusconi, der mehrmals gegen die Tränen kämpfen musste. Sein 20-jähriger Einsatz für Italien sei mit einer Verurteilung zu einer schweren Haftstrafen belohnt worden, wetterte der 76-Jährige: „So belohnt Italien die Opfer und das Engagement seiner besten Bürger." Er habe „niemals ein Steuerbetrugssystem auf die Beine gestellt", sondern als Bau- und Medienunternehmen vielmehr „zum Reichtum des Landes beigetragen", betonte Berlusconi.

Dann kündigte er die Neugründung seiner Mitte-rechts-Partei „Volk der Freiheit" an. Er werde die Gruppierung wieder „Forza Italia" nennen, den Namen der politischen Kraft, mit der er 1993 in die Politik eingestiegen war.

>>> Berlusconis Rechtsanwälte "erschüttert"

Der italienische Richterverband reagierte prompt auf die Anschuldigungen von Berlusconi. Die Worte des ehemaligen Premiers seien „unannehmbar und verantwortungslos gegenüber der Justiz", hieß es in einer Stellungnahme.

Italiens Rekordschuldenberg

Das Urteil ist die bisher schwerste Prüfung für die erst Ende April mit Müh und Not zusammengeflickte „Große Koalition" unter dem Sozialdemokraten Enrico Letta: Berlusconis „Volk der Freiheit" hatte verlangt, dass der Regierungspartner eine mögliche Verurteilung für ungültig erklärt. Doch Premier Letta erklärte stets seine Unterstützung für die Justiz.

Eine Regierungskrise kann sich Italien - und der Euroraum - nicht leisten. Eigentlich brauchte die tief verschuldete drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone jetzt eine stabile Führung, um die Wirtschaft anzukurbeln und das Budget zu sanieren. Neben Sparmaßnahmen sind Strukturreformen nötig - wie Pensionskürzungen oder Liberalisierungen des verkrusteten Arbeitsmarkts. Bisher blieben die Reformen auf der Strecke. Alarmierendes Zeichen: die Gesamtverschuldung hat mit fast 130 Prozent des BIPs eine Rekordhöhe erreicht.

Doch vor allem wird das Urteil persönliche Folgen für jenen Mann haben, der seit Anfang der 1980er Italien prägt. Berlusconi begann ganz unten - als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen. Ende der 1970er-Jahre kam der Jurist dann im boomenden Mailand zum großen Geld: Erst als Bauunternehmer, dann als Medienmagnat. Es war Berlusconi, der das italienische TV revolutionierte. Er kaufte billige US-Serien und japanische Mangas, führte die notorischen Shows mit knapp bekleideten Tänzerinnen ein und bombardierte sein Publikum mit Werbespots. Das Berlusconi-TV formte eine ganze Generation.

Der Milliardär hatte gute Kontakte. Berlusconis Vertrauter war Sozialistenchef und Premier Bettino Craxi. Wie sich später herausstellte, hatten die Sozialisten Milliarden an Steuergeldern in ihre Taschen verschwinden lassen. Der von der Justiz verfolgte Craxi starb im goldenen Exil, in Tunesien.

Phönix aus der Asche

Als Berlusconi 1994 überraschend in die Politik einstieg, kannte ihn jeder. Seine Partei schaffte einen Erfolgscoup - und formte mit der separatistischen Lega Nord eine Regierung. Diese hielt nicht lange. Berlusconi als Politiker dafür schon: In den vergangenen 20 Jahren war er vier Mal Premier. Als einziger Regierungschef seit dem Krieg überlebte er eine gesamte Legislaturperiode. Die versprochene „liberale Revolution" brachte er aber nicht zustande. Dafür rettete er dank maßgeschneiderter Gesetze seine Unternehmen und sich selbst vor der Justiz.

Vor allem aber: Der so oft politisch Totgesagte schaffte immer ein Comeback. Er überlebte den Bunga-Bunga-Skandal ebenso wie das wirtschaftliche Desaster, in das er Italien führte.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Former Italian Prime Minister Silvio Berlusconi leaves the stage flanked by his girlfriend Francesca Pascale at the end of a rally to protest his tax fraud conviction, outside his palace in central Rome
Außenpolitik

Italien: Berlusconi will Regierung stürzen

Dem rechtskräftig verurteilten Ex-Premier könnte im September der Senatssitz entzogen werden. Diesfalls will er laut der Zeitung "La Repubblica" die Regierung sprengen.
ITALY BERLUSCONI SUPPORT RALLY
Außenpolitik

Berlusconis Anhänger starten Petition für Amnestie

Gefolgsleute des wegen Steuerbetrugs verurteilten Ex-Regierungschefs planen eine Unterschriftensammlung zur Unterstützung eines Gesetzesentwurfs, um Berlusconi die Haft zu ersparen.
Italien - Berlusconi bekräftigte Loyalität zu Regierung Letta
Außenpolitik

Rom: Tausende demonstrieren für Berlusconi

Der verurteilte Ex-Premier bekräftigt seine Loyalität gegenüber der Regierung Letta. Er wolle "weiter für Demokratie und Freiheit kämpfen".
Italien Volk Freiheit droht
Außenpolitik

Italien: "Volk der Freiheit" droht mit Bürgerkrieg

Geschürt von Gefolgsleuten Silvio Berlusconis nehmen in Italien die politischen Spannungen zu. Die Partei will ihren wegen Steuerbetrugs verurteilten Gründer vor der Haft bewahren.
Generation Berlusconi
Außenpolitik

Generation Berlusconi: Ein Erfahrungsbericht

Zwanzig Jahre schon verkauft sich die Marke Berlusconi politisch gut. Nicht nur wegen des Marketings Wie der Medienunternehmer und Politiker seit den 1980er-Jahren Italien und die Italiener geprägt hat.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.