Tschechien: Miloš Zeman, ein Präsident im Machtrausch

Präsident Miloš Zeman will sich mit einem neuerlichen Regierungsauftrag sehr viel Zeit lassen.
Präsident Miloš Zeman will sich mit einem neuerlichen Regierungsauftrag sehr viel Zeit lassen.(c) EPA (FILIP SINGER)
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Der tschechische Präsident Miloš Zeman will die von ihm handverlesene, mit Freunden bestückte Regierungsmannschaft auch gegen den Willen des Parlaments im Amt halten.

Prag. Als würde es nicht reichen, dass sich Tschechien in einer handfesten Regierungs- und Verfassungskrise befindet - in der Nacht zum Mittwoch spielte auch das Wetter verrückt. Ein Gewitter hatte die Technik des Abgeordnetenhauses in Prag lahmgelegt, die elektronische Abstimmungsmaschine hatte den Geist aufgegeben. Und das ausgerechnet an einem Tag, an dem es um jede Stimme ging: Die von Präsident Miloš Zeman eingesetzte „Experten"-Regierung unter Premier Jiří Rusnok suchte am frühen Abend um Vertrauen nach. Glücklicherweise sollte namentlich abgestimmt werden, nicht elektronisch.
Rusnok und die Seinen, alle von Gnaden Zemans, standen von vornherein auf verlorenem Posten. Daran vermochte auch der Gastauftritt des Präsidenten im Parlament nichts zu ändern. Rusnok verlor die Vertrauensabstimmung mit 93 zu 100 Stimmen.

Zeman begründete zuvor noch einmal seine Entscheidung: Die bürgerliche Regierung von Petr Nečas habe nicht nur folgerichtig angesichts der Ermittlungen gegen sie von sich aus das Handtuch werfen müssen. Sie sei auch die mit großem Abstand unbeliebteste Regierung in der tschechischen Geschichte gewesen. Er, so Zeman, habe deshalb entschieden, eine Regierung einzusetzen, die das Vertrauen der Tschechen genieße. Diese Regierung habe in den ersten vier Wochen ihres Wirkens eine Reihe guter Dinge auf den Weg gebracht, beispielsweise eine Erhöhung des Mindestlohns.

Regierung in Demission

Zeman räumte jedoch selbst ein, dass die Regierung Rusnok nicht das Vertrauen des Parlaments erringen werde. Für diesen Fall bleibe ihm ein zweiter Versuch, eine Regierung zu bestimmen. Er werde damit aber warten. So lange, bis die Ermittlungsbehörden der Polizei ihre Untersuchungen gegen Mitglieder der Regierung Nečas beendet hätten. Mit anderen Worten: Zeman lässt Rusnok womöglich über viele Monate weiterleben - auch ohne Vertrauen des Parlaments. Eine solche „Regierung in Demission" wird von der tschechischen Verfassung gedeckt, die einst bei der Trennung von den Slowaken mit heißer Nadel gestrickt worden ist. Allein diese seltsame verfassungsrechtliche Konstruktion machte die gestrige Abstimmung im Grund überflüssig. Aus dem Umfeld Zemans war mehrfach zu hören, dass der Präsident die Regierung gut und gern auch bis zu regulären neuen Wahlen im Frühjahr 2014 würde amtieren lassen. Eine Regierung, die vorrangig aus Freunden Zemans besteht - dessen Partei ist bei den letzten Parlamentswahlen durchgefallen und derzeit überhaupt nicht im Parlament vertreten.

Die Bürgerlichen, die bisher an der Regierung waren, lehnen das Kabinett prinzipiell ab: zum einen, weil das Kabinett nicht durch Wahlen gedeckt sei. Zum anderen, weil die Bürgerlichen selbst behaupten, eine Mehrheit im Parlament von 101 von 200 Stimmen zu haben. Nach dem Fall der Regierung Rusnok wollten sie eine eigene „Schattenregierung" aufstellen, die jederzeit bereit sei, zu einer „richtigen" Regierung zu mutieren, wenn sie den Auftrag von Zeman bekomme. Doch dieser wird sich hüten, eine solche Regierung zu ernennen, in der anstelle des bisherigen Premiers Nečas die derzeitige Parlamentspräsidentin Miroslava Němcová steht. Eine solche Regierung, so Zeman, sei eine Art Etikettenschwindel, unterscheide sich nicht von ihrer Vorgängerin.

Nečas musste Anfang Juli den Hut nehmen: Seine Büroleiterin Jana Nagyová soll politische Korruption organisiert und den militärischen Geheimdienst auf die Ehefrau des Regierungschefs angesetzt haben. Nečas, der im Zuge der Affäre ein Verhältnis mit Nagyová gestanden hatte, ließ sich am Dienstag von seiner Frau scheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2013)

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