Tschechien: Neuwahlen werden immer wahrscheinlicher

Finance Minister Fischer, PM Rusnok and Interior Minister Pecina listen to Czech President Zeman during the Czech parliament session in Prague
Finance Minister Fischer, PM Rusnok and Interior Minister Pecina listen to Czech President Zeman during the Czech parliament session in PragueREUTERS
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Premier Rusnok hat die Vertrauensabstimmung verloren. Präsident Milos Zeman steht hinter Rusnok. Das Parlament könnte sich daher selbst auflösen.

Die tschechische Experten-Regierung von Premier Jiri Rusnok ist bei der Vertrauensabstimmung gescheitert. Nur 93 Abgeordnete haben nach offiziellen Informationen bei dem Votum am Mittwochabend für sie gestimmt, während gegen sie 100 Parlamentarier waren. Sieben Abgeordnete waren nicht anwesend.

Gegen Rusnok votierten vor allem die Parteien der früheren Mitte-Rechts-Koalition - konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS), liberal-konservative TOP 09 und die Kleinpartei LIDEM. Für die Regierung stimmten die Sozialdemokraten (CSSD), Kommunisten (KSCM) und die populistische Partei Öffentliche Angelegenheiten (VV). Entscheidend zeigten sich die Stimmen der Abgeordneten, die nicht einer Partei oder einem Klub angehören. Rusnok sprach über eine "ehrliche Niederlage".

Laut Verfassung sollte nun die im Juli ernannte Rusnok-Regierung die Demission bei Staatspräsident Milos Zeman einreichen. Dies bestätigte Rusnok mit den Worten, er werde dies "unverzüglich tun". Allerdings wird sie weiterhin geschäftsführend sein, bis ein neues Kabinett vom Staatsoberhaupt angelobt ist.

Wann dies geschehen wird, ist unklar. Zeman gab in einer Rede vor den Abgeordneten klar zu erkennen, dass er keine Absicht habe, in den nächsten Wochen einen neuen Regierungsauftrag zu erteilen. Als Grund nannte er eine Erklärung der Staatsanwaltschaft, dass es in den nächsten Wochen eine "grundsätzliche Bewegung" in den Ermittlungen der jüngsten Korruptions- und Bespitzelungsaffäre um die ehemalige Büroleiterin des früheren Regierungschefs Petr Necas, Jana Nagyova, geben werde.

"Kabinett von Zemans Freunden"

Die tschechische Verfassung schreibt dem Staatschef keine Frist vor, in der er den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss. Zeman wird nachgesagt, diese Tatsache nutzen zu wollen, damit die Rusnok-Regierung, die die Kritiker "Kabinett von Zemans Freunden" nennen, bis zu den planmäßigen Parlamentswahlen im Mai 2014 im Amt bleiben kann. Zeman ist gegen vorgezogene Parlamentswahlen und will nicht einmal eine Regierung der früheren Mitte-Rechts-Koalition zulassen, obwohl diese behauptet, über eine Mehrheit von 101 Stimmen im 200-köpfigen Unterhaus zu verfügen.

Laut Verfassung obliegt Zeman als Staatschef noch ein Versuch, jemanden zum Regierungschef zu ernennen und ihn mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Im dritten Versuch müsste Zeman jener Person diese Aufgabe anvertrauen, die der Chef des Abgeordnetenhauses bestimmt - in diesem Fall Miroslava Nemcova (ODS), die die frühere Koalition als künftige Regierungschefin sehen möchte. Sollte auch der dritte Versuch bei einer Vertrauensabstimmung scheitern, müssten vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden.

Neuwahlen durch Parlaments-Selbstauflösung

Neuwahlen könnten auch in dem Fall erfolgen, wenn das Abgeordnetenhaus zu einem beliebigen Zeitpunkt mit einer Verfassungsmehrheit (120 von 200 Stimmen, Anm.) seine Selbstauflösung beschließen würde. Dies wollten die Linksparteien bereits im Juli erzielen, allerdings scheiterte ihr Antrag am Widerstand der Rechtsparteien. Mittlerweile könnte es schon die dazu erforderliche Verfassungsmehrheit geben.

Für die Selbstauflösung wollen nach wie vor "so schnell wie möglich" die Sozialdemokraten (CSSD) und die Kommunisten (KSCM) stimmen. Auch die liberal-konservative Partei TOP 09 des ehemaligen Außenministers Karel Schwarzenberg will dafür stimmen, wie die Partei am Mittwochabend erklärte. Insgesamt haben die drei Parteien 122 Stimmen in dem 200-köpfigen Abgeordnetenhaus.

Außerdem kündigte die Chefin der Kleinpartei LIDEM Karolina Peake ihre persönliche Bereitschaft an, den Antrag zur Auflösung des Parlaments zu unterstützen. Die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) gab zu Neuwahlen zunächst keine klare Zustimmung. Allerdings sieht der amtierende ODS-Chef Martin Kuba darin eine "relevante Lösung" der gegenwärtigen politischen Krise in Tschechien. So könnte die Mehrheit für die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses und Neuwahlen noch viel stärker sein.

Als möglicher Termin der Neuwahlen ist Ende Oktober 2013 im Gespräch. Laut Verfassung müsste Staatspräsident Milos Zeman die Wahlen so ausrufen, damit diese 60 Tage nach der Auflösung des Unterhauses stattfinden.

(APA)

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