Gibraltar: Grenzscharmützel am „Affenfelsen“

Warten in andalusischer Gluthitze: Seit der Konflikt zwischen Spanien und Gibraltar eskaliert ist, dauern die Grenzkontrollen besonders lange.
Warten in andalusischer Gluthitze: Seit der Konflikt zwischen Spanien und Gibraltar eskaliert ist, dauern die Grenzkontrollen besonders lange.(c) REUTERS (JON NAZCA)
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Spanien verschärft Kontrollen an der Grenze zur britischen Enklave und droht mit Einführung einer Einreisegebühr. Zuvor hatte Gibraltar mit der Aufschüttung eines künstlichen Riffs vor seiner Küste begonnen.

Gibraltar/Madrid/ag./la .Für den spanischen Premierminister, Mariano Rajoy, ist es eine willkommene Abwechslung von innenpolitischen Skandalen, für seinen britischen Kollegen, David Cameron, ein unnötiges Ärgernis – die Rede ist vom jüngsten Streit an der Grenze zwischen Spanien und Gibraltar. Seit das britische Überseegebiet vor zwei Wochen mit der Aufschüttung eines künstlichen Riffs vor der eigenen Küste begonnen hat, gehen zwischen Madrid und London die Wogen hoch.
Selbst eine kurzfristig einberufene Telefonkonferenz zwischen Cameron und Rajoy brachte keine Entspannung: Beide Streitparteien sprachen am Donnerstag von einem „konstruktiven“ Meinungsaustausch – das diplomatische Codewort für fruchtlose Verhandlungen.

Der spanisch-britische Schlagabtausch hat einen Vorwand und einen tieferen Grund. Vordergründig geht es um den Fischfang: Aus Gibraltars Perspektive ist das künstliche Riff notwendig, um die Fischbestände vor seiner Küste vor Überfischung zu schützen. Aus spanischer Sicht dient die Barriere ausschließlich dazu, die Arbeit der spanischen Fischer in den Gewässern rund um die knapp sieben Quadratkilometer große Halbinsel zu behindern – eine Provokation also, auf die Madrid mit der Einführung von strengen Kontrollen am Grenzübergang reagiert hat – seit dem vergangenen Wochenende wird jedes Fahrzeug genau durchsucht, was mehrstündige Wartezeiten in südspanischer Gluthitze verursacht.

50 Euro pro Grenzübertritt

Spaniens Botschafter in London hält dieses Vorgehen für gerechtfertigt, schließlich sei Gibraltar nicht Mitglied der Schengenzone. Außerdem hätte man eine Zunahme des Zigarettenschmuggels registriert und sei zu Gegenmaßnahmen gezwungen. Dass es sich dabei um ein vorgeschobenes Argument handelt, machte allerdings Außenminister José Manuel Garcia-Margallo klar, der eine Gebühr von 50 Euro pro Grenzübertritt ins Gespräch brachte – mit ihr sollen die spanischen Fischer für die entgangenen Fänge entschädigt werden. Gibraltar wiederum bezeichnete die langen Wartezeiten an der Grenze als „Folter“ und forderte europäischen Beistand an. Rasche Hilfe aus Brüssel dürfte es aber nicht geben, denn die EU-Kommission will frühestens im September Beobachter an die Grenze schicken, um festzustellen, ob die Kontrollen rechtens sind.

Hinter diesen Grenzscharmützeln versteckt liegt das eigentliche Motiv: Spanien hat die britische Hoheit über Gibraltar nie akzeptiert – die Royal Navy eroberte den „Affenfelsen“ 1704 während des spanischen Erbfolgekriegs, 1713 wurde Gibraltar im Vertrag von Utrecht Großbritannien zugesprochen. Dass die „Gibraltareños“ nicht zu Spanien gehören wollen (beim letzten Referendum 2002 stimmten 99 Prozent der Einwohner für den Verbleib bei Großbritannien), tut aus spanischer Perspektive nichts zur Sache.

Während Rajoys sozialistische Vorgänger konziliante Töne anschlugen – 2009 besuchte Außenminister Miguel Angel Moratinos als erster Vertreter der Regierung in Madrid seit drei Jahrhunderten die Halbinsel –, setzt der konservative Premier auf Konfrontation. Die Gründe für den Kurswechsel dürften in der Innenpolitik liegen: Rajoy und seine Regierungspartei PP sind wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise unbeliebt und obendrein in einen Korruptionsskandal verwickelt, der Konflikt mit Gibraltar dient somit als Ablenkung der Wählerschaft.

1:1 im Fußball- und Rugbykrieg

Dieser Konflikt wird übrigens nicht nur am Grenzübergang, sondern auch in Sportstadien ausgetragen. Im Mai scheiterte Madrid bei dem Versuch, die Mitgliedschaft Gibraltars beim Fußballverband Uefa zu verhindern. Die Revanche gelang zwei Monate später: Anfang Juli schmetterte Spanien das Beitrittsgesuch der britischen Enklave bei der European Rugby Association ab.

Die ökonomischen Folgen der spanischen Obstruktion dürften in überschaubaren Grenzen bleiben, denn Gibraltar hat sich in den vergangenen Jahren als Steuer- und Glücksspieloase positioniert – Regierungschef Fabian Picardo sprach in einem Interview mit der „FAZ“ gar davon, Gibraltar als „Silicon Valley des Online-Glücksspiels“ positionieren zu wollen. Den letzten Versuch, die Halbinsel durch eine Grenzblockade in die Knie zu zwingen, unternahm Spaniens Diktator Francisco Franco 1969. 16 Jahre später musste Madrid w. o. geben – die Aufhebung der Blockade war Vorbedingung für den Beitritt Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2013)

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