Tschechien: Neuwahlen als Notausgang aus Krise

Protest gegen Zeman. Mit seinem selbstherrlichen Agieren sorgt der tschechische Präsident für heftige Kritik.
Protest gegen Zeman. Mit seinem selbstherrlichen Agieren sorgt der tschechische Präsident für heftige Kritik.(c) EPA (FILIP SINGER)
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Die Parteien in Prag lecken ihre Wunden. Denn die Niederlage von Premier Rusnok im Parlament hinterließ bei Regierung und Opposition Verlierer.

Prag. Nach dem Scheitern der von Präsident Miloš Zeman eingesetzten Expertenregierung unter Premier Jiří Rusnok im Parlament steuert Tschechien auf vorgezogene Wahlen zu. Schon in der kommenden Woche soll dazu ein Beschluss zur Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses gefasst werden. Bisher wird das von den Sozialdemokraten, der konservativen TOP 09 von Karel Schwarzenberg, der Gruppe Öffentliche Angelegenheiten und den Kommunisten unterstützt. Diese Parteien bringen mehr als die zur Selbstauflösung des Parlaments erforderlichen 120Stimmen zusammen.

Präsident Zeman muss nach dem Beschluss des Parlaments Neuwahlen ausschreiben, die binnen 60 Tagen stattfinden müssen. Gewählt werden könnte danach voraussichtlich im Oktober. Die Sozialdemokraten haben vor Wochen schon einmal eine Abstimmung zur Selbstauflösung initiiert. Sie scheiterten aber damit, weil das bürgerliche Lager geschlossen dagegen gestimmt hatte.

„Verräter“ in Bürgerpartei

Damals sind die Bürgerlichen noch davon ausgegangen, dass sie über eine regierungsfähige Mehrheit von 101 der 200 Abgeordneten verfügen. Diese Mehrheit platzte jedoch am Mittwoch bei der Abstimmung über die Regierung Rusnok. Zwei Abgeordnete der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) verließen den Saal vor der Abstimmung überraschend. Die beiden „Verräter“, wie sie jetzt genannt werden, sollen aus der Partei ausgeschlossen werden.

Das Ausscheren der beiden Abgeordneten kam für die ODS-Führung überraschend. Am Abend vor der Abstimmung hatten sich die Spitzen der bürgerlichen Parteien getroffen. Dabei hatte auch die ODS versichert, dass alle ihre Abgeordneten geschlossen gegen die Regierung Rusnok stimmen würden. Zudem hatten die beiden abtrünnigen Parlamentarier unlängst auch eine Liste aller bürgerlichen Abgeordneten unterzeichnet. Mit dieser Liste wollten die bürgerlichen Parteien Präsident Zeman unter Druck setzen, sie mit der Regierungsbildung zu betrauen. Offenbar aus Enttäuschung über die beiden ODS-Abgeordneten nahm auch die Chefin der liberalen Partei Lidem, Karolina Peake, nicht an der Abstimmung teil. Peake gab am Donnerstag zudem ihren Posten als Parteivorsitzende auf. Wie am gestrigen Tag generell reichlich Wunden geleckt wurden. Außer den Wählern, die das Land aus der Krise führen sollen, gab es nach dem Mittwoch nahezu nur Verlierer in Prag.

Zeman verlor, weil er seine Regierung nicht durchbringen konnte. Die Regierung selbst muss zurücktreten, wird aber geschäftsführend bis zu den Wahlen amtieren.

Die ODS wiederum ist auf dem Tiefpunkt ihrer Popularität angekommen und hat sich zudem als unzuverlässig erwiesen. Letzteres, so sagte die Parlamentspräsidentin und Kandidatin der ODS für das Premiersamt, Miroslava Němcová, wäre ihr nie im Traum eingefallen.

Wenig erfreulich ist auch die Lage der Sozialdemokraten, wenngleich diese mit Sicherheit als Sieger aus dem vorgezogenen Urnengang hervorgehen werden. Die Partei ist tief gespalten in Anhänger und Gegner des Präsidenten Zeman. Wie dieser innerparteiliche Machtkampf zwischen Parteichef Bohuslav Sobotka – ein Zeman-Gegner – und seinem Vize Ivan Hašek – einem Zeman-Befürworter – ausgehen wird, ist offen. Sollte Hašek das Rennen machen, könnte es sehr bald schon zu einer Vereinigung der Sozialdemokraten mit der ebenfalls linksgerichteten Zeman-Partei kommen, die derzeit unbedeutend ist. Zeman selbst hat schon in seinem Präsidentenwahlkampf betont, dass er eine Vereinigung der linken Parteien anstrebe, wie sie beispielsweise dem slowakischen Premier Robert Fico gelungen sei.

Schwarzenberg gegen Zeman

Einigermaßen zufrieden sein darf neben den Kommunisten die TOP 09. Die Partei Schwarzenbergs und des früheren Finanzministers Miroslav Kalousek dürfte aus den Wahlen als stärkste Kraft des bürgerlichen Lagers hervorgehen. Im Wahlkampf wird sich die Partei als die schärfste Waffe gegen den Umbau des Staates hin zu einer Präsidialdemokratie unter Zeman als einer Art Alleinherrscher präsentieren. Für mehr als die Oppositionsbank dürfte es für die TOP 09 dennoch nicht reichen.

Auf einen Blick

Die „Experten-Regierung“, die vom tschechischen Präsidenten Miloš Zeman eingesetzt worden ist, hat im Parlament eine Vertrauensabstimmung verloren. Nun soll kommende Woche in der Volksvertretung in Prag ein Beschluss zur Selbstauflösung des Parlaments gefasst werden. Die Sozialdemokraten, die Partei TOP 09 von Karel Schwarzenberg, die Kommunisten und die Gruppe „Öffentliche Angelegenheiten“ fordern diesen Schritt und bringen mehr als die zur Selbstauflösung nötigen 120 Stimmen zusammen. Neuwahlen könnten dann im Oktober erfolgen. Bisher haben sich die bürgerlichen Parteien gegen Neuwahlen ausgesprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2013)

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