NSA greift ihre Kritiker scharf an

U.S. President Obama smiles while the audience sings 'Happy Birthday' to him before he speaks about home ownership at Desert Vista High School in Phoenix, Arizona
U.S. President Obama smiles while the audience sings 'Happy Birthday' to him before he speaks about home ownership at Desert Vista High School in Phoenix, ArizonaREUTERS
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Während Präsident Obama eine Reform der Abhörpraktiken der Geheimdienste verspricht, zwingt die National Security Agency zwei E-Mail-Anbieter zum Zusperren.

Washington. Der wachsenden Druck in Bevölkerung und Kongress an der geheimen und teilweise illegalen digitalen Überwachung von Millionen amerikanischer Bürger zwingt Präsident Barack Obama nach langem Zögern zum Handeln. Am Freitag ließ er anlässlich einer Pressekonferenz das bisher geheim gehaltene Rechtsgutachten seiner Juristen über die Zulässigkeit der Sammlung von Metadaten aller Handytelefonate in den USA veröffentlichen. Das 23-seitige Papier kommt erwartungsgemäß zum Schluss, dass diese massenhafte Datensammlung „wichtig“, „eng gefasst“ und „verfassungsmäßig“ sei.

Der Präsident versprach zudem, dass die National Security Agency (NSA) einen Datenschutzbeauftragten bekommen werde. Zudem solle künftig bei den im Geheimen geführten Verhandlungen vor dem Foreign Intelligence Surveillance Court der Schutz der Privatsphäre stärker in die Beschlussfassung einbezogen werden als derzeit. Dieses Gericht befindet über Ansuchen der NSA zur Erlaubnis von Abhöraktionen.

Gerichtlich befohlener Maulkorb

Doch ungeachtet dessen erhöht die NSA den Druck auf Internetunternehmen, die ihr nicht beim Spionieren helfen wollen. Am Donnerstagabend gab der Eigentümer des E-Mail-Providers Lavabit bekannt, sein Unternehmen auf unbestimmte Zeit zuzusperren. Der Aufdecker Edward Snowden hatte zuletzt über eine Lavabit-Adresse kommuniziert.

„Ich bin gezwungen, eine schwere Entscheidung zu treffen: Zum Komplizen in Verbrechen gegen das amerikanische Volk zu werden oder mich von zehn Jahren harter Arbeit zu verabschieden, indem ich Lavabit schließe“, erklärte der Firmengründer Ladar Levison in einem offenen Brief.

Die Ursache für diese drastische Entscheidung dürfe er aus rechtlichen Gründen nicht bekannt geben. Grund dafür dürfte entweder um einen Beschluss des Foreign Intelligence Surveillance Court sein oder ein National Security Letter, also eine Anordnung, mit der vor allem das FBI Firmen zur Übergabe von Daten auffordert. Levison warnte: „Diese Erfahrung hat mich eine sehr wichtige Lektion gelehrt: Ohne Handeln des Kongresses oder starke gerichtliche Urteilssprechung rate ich jedem davon ab, seine privaten Daten einer Firma mit Sitz in den Vereinigten Staaten anzuvertrauen.“

Diese Ankündigung bewog kurz darauf ein zweites US-Unternehmen zum Zusperren seines Dienstes für verschlüsselte E-Mails. „Wir wussten, dass die US-Regierung hinter uns her sein würde“, erklärte Michael Janke, der Chef von Silent Circle, gegenüber dem Technologie-Blog „Tech-Crunch“. Zwar habe es noch keine behördliche Anordnung gegeben, verschlüsselte Daten herauszurücken. Man wolle den Verschlüsselungsdienst aber lieber vorerst schließen, statt sich „zum Komplizen“ der NSA-Spionage zu machen, sagte Janke.

Der Vozeige-Somalier der NSA

Die NSA-Führung macht sich währenddessen an das große hausinterne Aufräumen. Ihr Direktor Keith Alexander sagte am Donnerstag, er wolle raschestmöglich rund 90 Prozent der ungefähr 1000 Mitarbeiter mit Administratorenrechten durch Computer ersetzen. Snowden, der nach seinen Enthüllungen über die rechtlich grenzwertigen Praktiken der NSA in Moskau Asyl erhalten hat, war einer dieser Administratoren. Die Versuche der NSA, ihr Handeln zu rechtfertigen, sind allerdings nur mit größter Mühe nicht als Manipulation zu bezeichnen. Erneut streute sie dieser Tage den Fall des 36-jährigen somalischen Taxifahrers Basaaly Moalin, der vor vier Jahren von San Diego aus 8500 Dollar an die islamistischen Shabab-Milizen in Somalia überwiesen hatte und nach einer NSA-Abhöraktion erwischt wurde. Schon 2009 hatte die FBI-Stelle in Somalia befunden, dass diese Spende nicht ideologisch motiviert und schon gar nicht gegen die USA gerichtet sei; Moalin habe sich vielmehr bei lokalen Stammesälteren gut stellen wollen.

James Bamford, einer der besten NSA-Kenner, nannte diesen Fall gegenüber der „Presse“ einen Beleg für die Verzweiflung der NSA: „Ich meine: Na und? Blöd für Somalia, aber was hat das mit uns zu tun? Wenn das das Beste ist, was sie vorzuweisen haben, dann beweist es, dass die NSA nicht funktioniert.“

Auf einen Blick

Der Druck der NSA auf Unternehmen, die verschlüsselte E-Mail-Dienste anbieten, hat zwei solcher Firmen am Donnerstag zum vorläufigen Zusperren bewogen. Eine davon, Lavabit, hat die E-Mails des NSA-Enthüllers Edward Snowden verschlüsselt und verwaltet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2013)

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