Sinai: Ägyptens Kooperation mit Israel

A funeral convoy carrying the bodies of four Islamist militants, drives through Sheikh Zuweid, in the north of the Sinai peninsula
A funeral convoy carrying the bodies of four Islamist militants, drives through Sheikh Zuweid, in the north of the Sinai peninsulaREUTERS
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Kairo und Jerusalem befürchten ein Erstarken radikaler Kräfte wie der al-Qaida, die die Halbinsel unregierbar und zu einem Ausgangspunkt für Terrorattentate machen würden.

Sinai/Jerusalem/Kairo. Sinai – der Name der Halbinsel zwischen Ägyptens Kernland und Israel war für Israelis jahrzehntelang ein Paradebeispiel, wie schön der Nahe Osten sein könnte, wenn man nur mit allen Nachbarstaaten Frieden schließen könnte wie mit Kairo.

Heute ist der Sinai für Israel zum latenten Sicherheitsproblem geworden, das Jerusalem jetzt sogar dazu gezwungen haben könnte, erstmals seit Abschluss des Friedensvertrags 1979 jenseits der Grenze im Hoheitsgebiet eines verbündeten Staates militärisch zu agieren. Doch die Implikationen des vermeintlichen israelischen Drohnenangriffs vom Samstag, bei dem vier Islamisten starben, sind für die Ägypter noch viel schlimmer: Für sie ist die Halbinsel eine Vorführung des destabilisierenden Potenzials ihrer Revolution.

Seit der Entmachtung von Langzeitherrscher Hosni Mubarak im Jahr 2011 hat der Einfluss islamistischer Extremisten auf der Halbinsel zugenommen. Der Sinai wurde zu einem rechtlosen Gebiet, in dem die Zentralgewalt des Staates ihren Einfluss verlor. Dieser Prozess scheint nun fast komplett. Die Nächte gehören den Islamisten, kein Tag vergeht mehr ohne Attentat auf ägyptische Sicherheitskräfte.

Das ist der Hintergrund der neuen Offensive, die Kairo auf der Halbinsel startete, um die Kontrolle über das strategisch bedeutende Randgebiet zurückzugewinnen: Seit Anfang Juli sollen rund 60 Sicherheitsbeamte und Zivilisten bei Attacken von Islamisten ums Leben gekommen sein, im gleichen Zeitraum töteten Soldaten 62 mutmaßliche Terroristen und verhafteten mehr als 100. Der jüngste Vorfall: In der Nacht zum Sonntag meldeten Bewohner im Nordteil der Insel, Apache-Hubschrauber der Armee hätten mehrere Ziele der Ortschaft Al-Tuma nördlich von El-Arish beschossen.

Zustimmung Jerusalems nötig

Die Offensive findet in enger Kooperation mit Israel statt. Laut dem Friedensabkommen von Camp David kann Kairo seine Truppen im Sinai nur nach einer Zustimmung Jerusalems verstärken. Die gab Israel in den vergangenen Wochen wiederholt, letztlich ist es in Israels Interesse, die Terrorgefahr zu eliminieren. Denn der Judenstaat wurde wiederholt Ziel der Islamisten. Und erst am vergangenen Freitag schloss Verteidigungsminister Moshe Yaalon vorübergehend den Flughafen von Eilat aufgrund einer Terrorwarnung.

Die enge Kooperation von Kairo und Jerusalem verwundert vor diesem Hintergrund kaum. Noch nie waren die Interessen beider Regierungen so deckungsgleich wie heute. Beide sehen die Hamas als Feind: Jerusalem, weil es gegen den Friedensprozess ist, Kairo, weil es mit den Muslimbrüdern verbündet ist. Beide Regierungen befürchten ein Erstarken noch radikalerer Kräfte wie der al-Qaida, die den Sinai unregierbar und zu einem strategisch gelegenen Startpunkt für Terrorattentate machen würden.

Doch selbst wenn der inzwischen von Ägypten heftig dementierte Drohnenangriff vom Samstag auf Geheiß Kairos stattfand, ist er doch Zeichen für die anhaltende Unfähigkeit der Ägypter, die Lage im Sinai allein in den Griff zu bekommen: Ein erheblicher Teil der Bevölkerung Nordsinais kooperiert nicht mit den Sicherheitskräften.

Nichts macht das deutlicher als die beeindruckende Beerdigung, die am Samstag für die Opfer des vermeintlichen israelischen Luftschlags abgehalten wurde. Obschon die Armee später selbst behauptete, die Toten seien Terroristen, die Ziele in Ägypten hatten angreifen wollen, begleiteten mehr als 100 Fahrzeuge den bewaffneten Trauerzug, durchfuhren gesuchte Terroristen unbehelligt mehrere Straßensperren der Armee. Die Soldaten, die den Islamisten hoffnungslos unterlegen waren, ließen sie passieren.

Die Anhänger der Muslimbrüder werden in ganz Ägypten immer mehr von der Regierung marginalisiert und so zwangsweise immer radikaler, auch auf dem Sinai. Die Dauerproteste in Kairo könnten sich also an dem, was nun hier geschieht, orientieren.

Auf einen Blick

Seit der Entmachtung von Langzeitherrscher Hosni Mubarak 2011 hat der Einfluss islamistischer Extremisten auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel an der Grenze zu Israel zugenommen. Nach dem Sturz von Präsident Mursi will die Armee Stärke demonstrieren. Unterstützung soll sie dabei angeblich von Israel bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2013)

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