USA: NSA spioniert auch Amerikaner aus

spioniert auch Amerikaner
spioniert auch Amerikaner(c) EPA (JIM LO SCALZO)
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Der mächtige Geheimdienst verletzt jährlich tausendfach die Datenschutzrechte der US-Bürger. Seine zahnlosen Kontrolleure führt er dabei hinters Licht.

Wien/Washington. „Niemand belauscht Ihre Telefongespräche“, beruhigte Barack Obama im Juni die US-Öffentlichkeit. Die Angst vor einem möglichen Datenmissbrauch durch den sammelwütigen US-Geheimdienst NSA verbannte der Präsident ins Reich der Theorie: Es gebe ja „Kontrollen“, der Foreign Intelligence Surveillance Court (Geheimgericht FISC) etwa wache über die Einhaltung der Gesetze.

Am Freitag schließlich wurde der US-Präsident von der Realität eingeholt. Wie die „Washington Post“ enthüllte, verletzt die NSA die Datenschutzrechte der US-Bürger. Und das tausendfach pro Jahr. Der Geheimdienst hört Telefongespräche von US-Bürgern ab oder hat das zumindest getan. In einem Fall brach er sogar die Verfassung. Und die Kontrolle durch das Geheimgericht? Ist zahnlos, wie nun selbst dessen oberster Richter einräumt.

2776 „Vorfälle“ – man könnte auch sagen Verstöße – listet die NSA in den nun von Edward Snowden über die „Washington Post“ an die Öffentlichkeit gebrachten Unterlagen auf. Und das allein für den Zeitraum von Mai 2011 bis April 2012. Die Dunkelziffer dürfte zudem weit höher liegen – erfasst wurden nur die Verfehlungen der NSA-Einrichtungen in der Region um Washington wie etwa im Hauptquartier in Fort Meade, Maryland. Ein Großteil der Missbräuche der 2008 ohnehin ausgeweiteten Vollmachten der NSA erfolgte dabei angeblich unbeabsichtigt – wegen Tippfehlern von Analysten (rund zehn Prozent) oder weil eine von den NSA-Programmen überwachte Person in die USA einreiste. Auch die Überwachung von Ausländern unterliegt auf US-Boden gesetzlichen Einschränkungen.

Verfassung gebrochen

Der US-Geheimdienst soll seine Macht zudem einige Male vorsätzlich missbraucht haben: Wie aus den Dokumenten hervorgeht, ignorierte die NSA im Februar 2012 eine Anordnung des Geheimgerichts, 3023 illegal gesammelte Dateien von US-Bürgern und Green-Card-Besitzern zu löschen. Die Dateien sollen Telefonnummern und die Dauer von Gesprächen enthalten haben.

Nach Ansicht des Geheimgerichts FISC hat die NSA zumindest in einem Fall auch die Verfassung gebrochen, genauer deren vierten Zusatz. Der Geheimdienst hatte 2011 über ein in die USA laufendes Glasfaserkabel große Mengen internationaler Daten abgegriffen. Es dauerte Monate, bis das Geheimgericht davon Wind bekam und das Programm schließlich stoppte.

Die NSA scheint die illegale Datenerfassung dabei billigend in Kauf zu nehmen: Ein NSA-Team in Hawaii – Snowdens letztem Aufenthaltsort vor seiner Flucht – durchforstete die gesamte Kommunikation eines Systems nach dem Namen von Telekom-Ausrüster Ericsson sowie den Wörtern Radio oder Radar. Schwer vorstellbar, wie dabei nur ausländische und nachrichtendienstlich bedeutsame Suchergebnisse erzielt werden sollen.

„Keine Details“

Vom Großteil der Verfehlungen wurden weder der Geheimdienstausschuss des Kongresses noch das Geheimgericht FISC unterrichtet. Jedenfalls nicht im Detail. Auch beim Antrag auf Genehmigung einer Suchabfrage wurden die NSA-Mitarbeiter instruiert, ihren „Aufpassern“ nur das Nötigste mitzuteilen. Details sollten möglichst durch allgemeine Formulierungen ersetzt werden. Auf keinen Fall dürften die Belege für einen Verdacht angeführt werden.

Die NSA hielt es zudem nicht für notwendig, das Geheimgericht von einer peinlichen Panne zu unterrichten, die zum Abhören einer „großen Zahl“ von Gesprächen in der US-Bundeshauptstadt geführt hatte: Wegen eines Programmierungsfehlers waren bei einer Suchabfrage die Vorwahlen von Washington (202) und Ägypten (20) vertauscht worden.

Dabei ist das Geheimgericht den Angaben von NSA bzw. Regierung ausgeliefert. „Wir haben keine Möglichkeit, die Richtigkeit der Informationen zu überprüfen“, bemängelte der vorsitzende Richter am FISC, Reggie Walton in einem Schreiben an die „Washington Post“. Sein Gericht sei gezwungen, den gelieferten „Informationen“ zu vertrauen. Die Katze beißt sich also in den Schwanz: Wenn es um das illegale Ausspionieren geht, sollen das jene melden, die dafür verantwortlich sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2013)

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