Venezuela: Kampf gegen das "Monster mit 1000 Köpfen"

Venezuela Kampf gegen Monster
Venezuela Kampf gegen Monster(c) REUTERS (Carlos Garcia Rawlins)
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Präsident Nicolás Maduro entdeckt das Übel der Korruption. Er rief den „nationalen Notstand“ aus. Fürchten muss sich indes weniger die Elite der Regierungspartei als vielmehr die bürgerliche Opposition.

Buenos aires/Caracas. 14 Jahre, nachdem sie die Regierung übernahmen, haben die „Bolivarianer“ beschlossen, die Korruption in Venezuela zu bekämpfen. Seit Wochenbeginn nutzte Präsident Nicolás Maduro jeden Auftritt, um seine Bürger vor dem „Monster mit tausend Köpfen“ zu warnen, das er ab sofort mit absoluter Härte verfolgen wolle. Mit Höchststrafen wolle er Korruption „auf allen Ebenen“ des Staates attackieren, die Republik brauche eine „neue Ethik“. Daher müsse er den „nationalen Notstand“ ausrufen.

Mit diesem Ingrimm dürfte der Präsident viele Venezolaner überrascht haben. Denn Korruption gehört für sie zu den Ärgernissen des Alltags wie Staus, Stromausfälle oder Starkregen. Seit vor 100 Jahren US-Ölfirmen erkannten, dass man – mit den richtigen Kontakten und Konzessionen – Milliarden aus Venezuela herausholen kann, wird fett geschmiert. Die alten Eliten wussten sich so lange zu arrangieren, bis das Land Ende der 1990er-Jahre in Armut und Chaos versank. Dann kam Hugo Chávez, änderte die Verfassung, die Zeitzone, das Staatswappen. Aber die Durchstechereien gingen munter weiter, und brachten eine neue Elite hervor aus dem Umfeld von Militär, Staat und Partei. Venezuela nennt diese Herrschaften mit Vorlieben für Geländewägen und Implantate in Brüsten und Hinterteilen die „Boliburguesia“.

Seit über zehn Jahren existiert dieser Terminus, nun hat ihn auch Maduro entdeckt: „Wenn es tatsächlich eine ,Boliburguesia‘ gibt, dann werde ich sie bekämpfen“, versprach Maduro und forderte dafür Sondervollmachten. Er will wie Chávez per Dekret regieren. „El Comandante“ hat den Großteil seiner 13 Amtsjahre auf die Meinung des Parlaments verzichtet, nicht weniger als 215 Gesetze beschloss Chávez ganz allein. Die Verfassung erlaubt solche Sondervollmachten für maximal 18 Monate, aber nur im Falle eines „nationalen Notstandes“.

Allerdings fehlt Maduro die notwendige Dreifünftelmehrheit im Parlament. Die Opposition signalisierte schon ihre Ablehnung. Die Gesetze reichten aus. Die Regierung solle lieber ihre Amtsführung transparenter machen, die Kontrollmechanismen stärken, Wahlkampagnen nicht mehr aus der Staatskasse finanzieren und vor allem der Justiz ihre Unabhängigkeit zurückgeben, forderte die Chefin von „Transparency Venezuela“, Mercedes de Freitas.

„Du Schwuchtel“

Die Opposition, deren Spitzenkandidat Henrique Capriles bei der Präsidentschaftswahl im April von fast der Hälfte der Venezolaner gewählt wurde, hat gute Gründe zur Vorsicht. Denn sie muss damit rechnen, dass die angebliche Korruptionsbekämpfung vor allem gegen sie eingesetzt wird. Zuletzt wurden Wohnungen und Konten zweier enger Capriles-Mitarbeiter gefilzt und das Material danach im Parlament verbreitet. Abgeordnete zeigten im Hohen Haus Fotos von Oscar López, Capriles' Wahlkampfleiter, teilweise in Frauenkleidern, aufgenommen bei privaten Festivitäten. In Capriles' Partei „blühen Korruption, Promiskuität, Menschenhandel, Geldwäsche, Prostitution und Drogen“, behauptete der Abgeordnete Pedro Carreño. An Capriles gerichtet rief er: „Stell dich den Vorwürfen, du Schwuchtel!“

Auch Chávez, der angebliche Vorreiter der „Progressiven“ in Lateinamerika, benutzte im Wahlkampf ähnlich sexistische Untergriffe gegen den Oppositionsführer. Maduro konzentrierte seine Vorwürfe bisher auf den „faulenden Sumpf“ der Wahlkampffinanzierung der „faschistischen Rechten“ – ein gängiger Terminus für die Opposition.

Henrique Capriles, der Gouverneur des Staates Miranda, sagte: „Wir sind das einzige Land, in dem eine Regierung, die alle öffentlichen Mittel verwaltet, die Opposition der Korruption beschuldigt.“ Mit dem Thema errichte die Regierung einen „Vorhang aus Rauch“, um von den wirklichen Problemen abzulenken. Die Preise stiegen zwischen Jänner und Juni um 25,9 Prozent, im selben Zeitraum fiel die Währung in Relation zum Dollar um 172 Prozent, der Versorgungsmangel liegt bei etwa 20 Prozent. Die Währungsreserven sind – vor allem aufgrund des sinkenden Goldpreises – im ersten Halbjahr um über fünf Milliarden Dollar gesunken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2013)

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