Schwarz-Weiß-Malerei über "heldenhafte" Sicherheitskräfte und islamistische "Terroristen". Ein deutscher "Spiegel"-Journalist wurde verhört.
Kairo/Mg. Während die Welt die exzessive Gewalt der Machthaber in Kairo verurteilt, igelt sich Ägypten immer mehr in seinen eigenen Kosmos ein. Unermüdlich trommeln staatliche und private Medien für die neue chauvinistische Einheitsmeinung von den heldenhaften Sicherheitskräften in ihrem apokalyptischen Kampf gegen das terroristische islamistische Lager.
In dem Sender CBC, der vor dem Sturz Mursis das populäre Satireprogramm von Bassem Youssef produzierte, treten Moderatoren bisweilen sogar in Militäruniform vor die Kamera. Alle TV-Kanäle haben seit Tagen „Ägypten kämpft gegen den Terror“ als Dauerlogo eingeblendet. „Wir sind Sisi“ titelte diese Woche die Zeitung „Stimme der Nation“ über dem Foto einer Menschenmenge, deren Gesichter sämtlich per Photoshop durch Porträts des neuen starken Mannes, General Abdel Fattah al-Sisi, ersetzt sind. Keine Pressekonferenz vergeht, in der sich nicht irgendein ägyptischer Kollege zunächst nach dem Muster totalitärer Selbstkritik als reuiger ehemaliger Sympathisant der Muslimbrüder in den Staub wirft, um dann ein noch härteres Vorgehen gegen „alle diese Terroristen“ zu fordern.
Sämtliche Fernsehkanäle, über die die Islamisten ihre Sichtweise verbreiten könnten, sind seit der Machtübernahme durch das Militär verboten. Jetzt drohen die Mediengewaltigen auch dem Sender al-Jazeera mit dem Entzug der Lizenz – das einzige TV-Programm, in dem noch Demonstrationen der Muslimbrüder gezeigt werden oder ihre Sprecher zu Wort kommen.
Angeheizt wird diese feindselige Stimmung nicht nur durch zahllose eifernde Fernseh- und Zeitungskommentare, sondern auch durch Stellungnahmen von hochrangigen Mitgliedern der Interimsregierung. Man empfinde „tiefe Bitterkeit“ über die bisherige Berichterstattung, die unverständlich nachsichtig sei mit der Gewalt aufseiten der Muslimbrüder.
Aviso für Korrespondenten
Gleichzeitig erließ das Informationsministerium eine dreiseitige Erklärung speziell für die Auslandskorrespondenten, die mit drohendem Unterton in sieben Abschnitten detailliert darlegt, wie sich Ägypten eine „vorurteilsfreie“ und „unverzerrte“ Berichterstattung in Zukunft vorstellt. Die Umwälzung am Nil sei ein „Ausdruck des Volkswillens“ und der Einsatz von staatlicher Gewalt ein „legitimer Kampf gegen den Terrorismus“.
Und so werden die unliebsamen Berichterstatter immer öfter angegriffen oder verhaftet, in drei Fällen bisher sogar gezielt getötet. Letzte Woche verlor der Kameramann von Sky News, Mick Deane, durch einen Scharfschützen sein Leben. Zwölf ausländische Journalisten sitzen momentan im Gefängnis. Der Korrespondent von „Spiegel Online“, Matthias Gebauer, wurde am Sonntag bereits wenige Stunden nach seiner Ankunft in Kairo nahe der Rabaa-Adawiya-Moschee festgenommen und mehrere Stunden verhört. Man hielt ihm vor, die westliche Presse berichte schlecht über Ägypten.
Tags zuvor hatten Mursi-Gegner, die die Fatah-Moschee umzingelt hatten, mehrere Journalisten vor Ort verprügelt. Ein US-Kollege musste von Soldaten aus den Fängen des Mobs befreit werden. Eine US-Korrespondentin wurde von Schlägern angegriffen, nachdem ein Polizeioffizier diese mit dem Ruf „Sie ist Amerikanerin“ auf sie gehetzt hatte. Einem britischen Journalisten halfen in letzter Minute zwei Jugendliche auf einem Motorrad, aus der handgreiflichen Menge zu entkommen. Zahllosen Kollegen wurde in den letzten Tagen die Ausrüstung gestohlen.
Inzwischen sind bei Recherchen auch wieder – wie zu Mubaraks Zeiten – die auffälligen Lauscher im Einheitslook dabei, die alles mit Handykameras aufzeichnen. „Die Pressefreiheit in Ägypten hat einen Tiefpunkt erreicht“, urteilt Sherif Mansour, Nahost-Koordinator des „Komitees zum Schutz von Journalisten“. Medienleute seien mittlerweile „juristisch und körperlich stärker in Gefahr als unter Hosni Mubarak“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2013)