NSA-Affäre: „Guardian“ im Clinch mit Nachrichtendienst

 Die „Guardian“-Redaktion hat nach den NSA-Enthüllungen offenbar Besuch vom britischen Nachrichtendienst bekommen.
Die „Guardian“-Redaktion hat nach den NSA-Enthüllungen offenbar Besuch vom britischen Nachrichtendienst bekommen.(c) EPA (FACUNDO ARRIZABALAGA)
  • Drucken

Der britische Geheimdienst GCHQ ließ laut Chefredakteur des „Guardian“ mehrere Computer in der Redaktion zerstören.

Wien/London/Duö/Ag. Die Bombe lässt Alan Rusbridger erst am Schluss platzen. In einer Stellungnahme berichtet der Chefredakteur der linksliberalen Zeitung „Guardian“ in den letzten Absätzen, dass er mehrmals von der Regierung sowie dem Nachrichten- und Sicherheitsdienst (GCHQ) kontaktiert worden sei. Man habe ihm nahegelegt, jegliches Material zur NSA-Affäre zu zerstören und von weiterer Berichterstattung abzusehen. Ansonsten müsse die Zeitung mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. „Sie hatten ihren Spaß. Wir wollen unser Material zurück“, zitiert der Chefredakteur einen britischen Beamten.

Auf die Drohungen sei Rusbridger nicht eingegangen. „Und so kam es zu einem der bizarrsten Momente in der langen Geschichte des ,Guardian‘“, schreibt er. Redakteure hätten vor den Augen zweier GCHQ-Mitarbeiter ihre Computer zerstören müssen – im Keller der Zeitung. Die Agenten vermuteten offenbar, dass die sensiblen Dokumente hier abgespeichert waren.

Gemeinsame Spähprogramme

Wann genau sich dieser Vorfall ereignet hat, gibt der Chefredakteur nicht preis. Anlass für seinen Artikel ist das Festhalten David Mirandas am Londoner Flughafen. Rusbridger bewertet den Vorfall als Racheakt: Mirandas Lebensgefährte Glenn Greenwald ist – neben der Filmemacherin Laura Poitras – der Enthüller des NSA-Skandals. Seine Artikel basieren auf Dokumenten, die ihm der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden zur Verfügung stellt. Die Enthüllungen betreffen vor allem auch das GCHQ.

So berichtete der „Guardian“ erst Anfang August, dass die NSA dem GCHQ in den vergangenen drei Jahren über 116. Mio. Euro überwiesen habe, um sich ihren Einfluss zu sichern. Zudem sollen die Organisationen gemeinsam an Spähprogrammen gearbeitet haben. Per App und Telefon gelangt das GCHQ an persönliche Informationen britischer Bürger, heißt es in einem „Guardian“-Artikel. In nur fünf Jahren hätten sich jegliche Infos über die Bürger, die dem GCHQ vorliegen, um 7000 Prozent vermehrt. Snowden zufolge sind NSA und GCHQ gleichermaßen für den Abhörskandal verantwortlich. Bei der „Ernte“ der Informationen über die eigenen Bürger seien die Briten sogar „schlimmer“.

Befragung „juristisch korrekt“

Am Sonntag wurde Miranda am Londoner Flughafen knapp neun Stunden lang befragt. Zuvor traf er die Filmemacherin Laura Poitras in Berlin, die ihm sensible Dokumente mitgegeben haben soll. Miranda war auf dem Weg nach Rio de Janeiro, wo er mit Greenwald lebt. Die Dokumente soll er bei sich getragen haben, den Inhalt kenne er aber nicht, so Miranda. Er will nun Zivilklage einbringen.

Die Reaktionen auf Mirandas Festhalten sind unterschiedlich. Nur weil er der Partner von Greenwald ist, kritisiert der Journalist Dan Hodges im konservativen „Daily Telegraph“ den medialen Aufschrei, dürfe das kein Freibrief dafür sein, nicht befragt zu werden. Schließlich habe er Dokumente bei sich getragen, die im Interesse des ganzes Landes seien.
Die britische Polizei bezeichnete die Befragung Mirandas als „juristisch korrekt“.

Für andere Journalisten und Menschenrechtsorganisationen bedeutet der Vorfall eine Bedrohung der freien Presse. Obwohl Miranda kein Journalist ist, helfe er seinem Partner bei der journalistischen Arbeit, schreibt Chefredakteur Rusbridger.
Sein Flug wurde vom „Guardian“ bezahlt. Sowohl vom GCQH als auch von der Downing Street gab es keine Kommentare zu dem Vorfall. Das Weiße Haus ließ ausrichten, Mirandas Befragung nicht in Auftrag gegeben, davon aber gewusst zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Zuckerberg sieht Vertrauen Internet
Internet

NSA: Zuckerberg sieht Vertrauen in Internet erschüttert

Der Facebook-Chef sagt, dass Nutzer Internet-Firmen seit dem Bekanntwerden des Spähprogramms nicht mehr vertrauen und fordert Transparenz.
gibt ihre Daten Israel
Internet

NSA gibt ihre Daten an Israel weiter

Auch ungefilterte Mails von US-Bürgern werden weitergeleitet. Das berichtet der britische „Guardian“ unter Berufung auf Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden.
Mark Zuckerberg, Facebook's co-founder and chief executive speaks during a Facebook press event in Menlo Park in this file photo
Internet

Zuckerberg: "Regierung hat es vermasselt"

Der Facebook-Chef kritisierte den Umgang Washingtons mit dem Abhörskandal. Das sei schlechte Publicity für sein Unternehmen. Er forderte eine stärkere Aufklärung durch die Regierung.
Außenpolitik

NSA teilt Rohdaten mit Israel

Der US-Nachrichtendienst übermittelt die abgefangenen Kommunikationsdaten dem israelischen Geheimdienst. Laut US-Geheimdienstkreisen gab es dagegen Bedenken.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.