Kosovo: Serbien droht mit Wahlboykott

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Wegen des fortgesetzten Streits um die Kommunalwahl steht die Normalisierung zwischen Serbien und seiner Ex-Provinz auf der Kippe.

Eine Überraschende Wendung nahm der Konflikt um die Kommunalwahl im Kosovo im November: Hatte die serbische Regierung bisher die Kosovo-Serben aufgefordert, an der Wahl teilzunehmen und jenen Serben-Führern aus dem Norden des Kosovo, die die Wahl boykottieren wollen, mit Absetzung gedroht, so spricht nun Premier Ivica Dacic selbst von einem Boykott.

Was Dacic stört, ist nicht die Wahl selbst, sondern der Stimmzettel: Auf diesem soll nämlich nach dem Wunsch von Kosovo-Premier Hashim Thaci das Staatswappen des Kosovo abgebildet sein. Das kommt für Belgrad nicht in Frage, da es die Abspaltung seiner Ex-Provinz im Februar 2008 nicht anerkennt.

Die Wahl, die in der Folge des im April unterzeichneten Abkommens eigentlich die Normalisierung des Verhältnisses zwischen Belgrad und Prishtina befördern sollte, bringt das fragile Gerüst der Annäherung nun wieder zum Wackeln. Nicht erst seit Dacics Boykott-Drohung, sondern auch schon vorher, durch den Beschluss der Serben im Nordkosovo, die Wahl zu boykottieren. Dieses Vorhaben wird von nationalistischen Gruppen und serbisch-orthodoxen Kirchenkreisen unterstützt.

Etwa fünf Prozent Serben im Kosovo

Ganz im Gegensatz dazu stand - bisher - die offizielle Position Belgrads. Die Regierung verurteilte die Haltung der Nordkosovo-Serben, Präsident Tomislav Nikolic hatte noch kürzlich ausrichten lassen, dass der geplante Boykott keinerlei Unterstützung seitens der Regierung erhalten würde. Und Premier Ivica Dacic meinte vor Tagen: „Niemand hat das Recht, eine Politik zu führen, welche den staatlichen Interessen Serbiens entgegengesetzt ist". Belgrad wolle, dass die Serben im Nordkosovo legal gewählte, international anerkannte Vertreter bekommen.

Die Nordkosovo-Serben wollen mehrheitlich nicht an der Lokalwahl am 3. November teilnehmen, weil sie ihrer Meinung nach dadurch die Unabhängigkeit Kosovos anerkennen und gegen die serbische Verfassung handeln würden. Der Anteil an Serben im Kosovo beträgt rund fünf Prozent, doch im Nordkosovo bilden Serben die Mehrheit und sehen sich auch als Teil Serbiens.

Serben könnten führende Kraft werden

Derzeit wird die Anzahl der Serben im Kosovo auf 120.000 geschätzt aber inklusive der Kosovo-Flüchtlinge, die 1999 nach Serbien ausgewandert sind, beträgt die Zahl der im Kosovo wahlberechtigten Serben 300.000. Das behauptet die kosovoalbanische Zeitung „Koha Ditore" und stellt damit klar, dass die Kosovo-Serben eine führende politische Kraft werden könnten, wenn sie vereint wählen gehen würden

Zum Vergleich, die führende kosovarische Partei, die regierende Demokratische Partei des Premiers Hashim Thaci, hat demnach etwa 224.000 Anhänger. Deshalb fordern die serbischen Regierungsmitglieder alle zu den Lokalwahlen berechtigten Serben auf, mit einer einheitlichen Wahlliste als Bürgergruppe aufzutreten.

Albanische Proteste gegen Abkommen

Doch auch bei weitem nicht alle Kosovo-Albaner sind von den Annäherungsversuchen angetan. Nachdem die kosovarischen Abgeordneten im Juni dem von der EU vermittelten Kompromiss mehrheitlich zugestimmt hatten, demonstrierten 300 Menschen vor dem Parlament in Prishtina gegen die Billigung des Texts. Die ultranationalistischen Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung), die sich für ein Groß-Albanien einsetzt, sprach sich gegen das Abkommen aus und versuchte, durch Blockieren des Parlaments, die Abstimmung zu verhindern.

In der Einigung geht es besonders um die Eingliederung der serbischen Minderheit im Nordkosovo in den kosovarischen Staat und zugleich um Autonomierechte etwa in punkto ihrer Vertretung in Polizei und Justiz in der Region. Dies war eine Hauptvoraussetzung für eine Annäherung beider Staaten an die EU. Die Außen- und Europaminister der EU sprachen sich daraufhin für Beitrittsverhandlungen mit Serbien aus. Gleichzeitig sollten Verhandlungen mit dem Kosovo über ein Assoziierungsabkommen aufgenommen werden.

Die Zeit wird langsam knapp

Kürzlich gab der kosovarische Vizepremier Slobodan Petrovic, ein Serbe, bekannt, dass er mit seiner Liberalen Partei (SLS) auch im serbisch dominierten Norden des Landes bei den Lokalwahlen antreten will. Er erklärte, dass sich die SLS in mindestens zwei nordkosovarischen Gemeinden - Nord-Mitrovica und Leposavic - um Bürgermeister- und Gemeinderatsposten bewerben werde. Die SLS ist derzeit in vier von Serben bewohnten Gemeinden in anderen Teilen des Landes an der Macht beteiligt. Die dort lebenden Serben sind längst in den kosovarischen Institutionen vertreten.

Die Lokalwahlen sollen auch beim nächsten Treffen von Dacic und Thaci in Brüssel am 27. August das Hauptthema sein. Sie sind eine Voraussetzung, um eine Gemeinschaft der serbischen Gemeinden im Nordkosovo zu bilden. Die derzeitigen serbischen Parallelinstitutionen sollen aufgelöst werden. Die Zeit wird jedenfalls knapp, denn die Frist für die Registrierung von Parteien und Kandidaten läuft am 4. September ab.

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