Tito-Enkelin: "Mein Opa hat nie existiert"

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TitoEnkelin Mein existiert(c) EPA (Koca Sulejmanovic)
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CIA-Erkenntnisse, der kommunistische Staatschef sei gar kein Kroate gewesen, stoßen in dessen Heimat auf Widerspruch – und bei seiner Enkelin auf Spott.

Belgrad. Vor mehr als drei Jahrzehnten ist Jugoslawiens legendärer Staatschef Josip Broz „Tito“ verblichen. Doch ein nun freigegebenes CIA-Dokument von 1977 hat Spekulationen über seine Herkunft neu entfacht. Der Verfasser kam nach der Analyse einer Tito-Rede zum Schluss, dass der Staatschef mit „ausländischem Akzent“ spreche und „kein Jugoslawe“ sei, sondern vermutlich Pole oder Russe – und wahrscheinlich Ende der 30er gegen den echten, 1892 im kroatischen Kumrovec geborenen Josip Broz ausgetauscht worden war.

Vor allem in nationalistischen Kreisen Serbiens und Kroatiens kursierten schon lange teils antisemitisch angehauchte Theorien, dass Tito ein außerehelicher Spross eines polnischen Offiziers, eines reichen Juden oder eines Habsburgerprinzen gewesen sei. Die nun publik gewordenen CIA-Erkenntnisse stoßen in Titos Heimat allerdings überwiegend auf Widerspruch – und Spott.

Broz habe so gesprochen wie noch heute die Menschen in seiner Heimatregion Zagorje, sagt der kroatische Linguist Željko Jozić. Wie einst Tito, der in dem für das Gebiet typischen kajkavischen Dialekt gesprochen habe, falle es den Bewohnern der Zagorje noch immer schwer, sich die „Standardsprache“ anzueignen.

Moskau hätte es längst enthüllt

Tito sei kein Russe gewesen und habe Russisch trotz seiner Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg nur „sehr schlecht“ gesprochen, meint Andrej Tarasjev, Professor für russische Kultur in Belgrad. Und er sei auch kein Pole gewesen, habe Serbokroatisch auch nicht mit polnischem Akzent oder Sprachmelodie gesprochen, versichert die Belgrader Polnisch-Professorin Mirjana Golubičić-Kostić. Der serbische Historiker Vojislav Pavlović der an einer neuen Biografie arbeitet, weist derweil darauf hin, dass Broz als Sohn eines Kroaten und einer Slowenin die ersten Lebensjahre beim Großvater in Slowenien verbracht und in der Jugend Kroatisch nie richtig erlernt habe. Der Historiker Čedomir Antić wiederum meint, es sei wenig wahrscheinlich, dass eine ausländische Herkunft Titos beim seinem Bruch mit Stalin 1948 von Moskau nicht enthüllt worden wäre.

Spöttisch reagiert Enkelin Saša Broz auf die CIA-Erkenntnisse: Sie danke dem Dienst für die jahrelangen Anstrengungen, die wahre Herkunft ihres Opas zu enthüllen, ließ sie per Facebook wissen. Doch mit Bedauern müsse sie bekennen, dass ihr Großvater „nicht existiert“ habe, sondern nur „das Produkt einer hypnotisierten Masse“ gewesen sei: „Und es gibt auch Beweise, dass ich eine Brasilianerin aus Kamtschatka bin – und mit besagtem Tito nichts zu tun habe.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2013)

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