"Ja, es gibt NSA-Standorte in Deutschland. Die Frage ist nur, was sie da tun."

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gibt NSAStandorte Deutschland Frage(c) Petrit Rrahmani
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Deutschlands Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und ihre Kollegin in Wien, Beatrix Karl (ÖVP), sprechen am Rande der Alpbacher Rechtsgespräche über US-Geheimdienste, Datenschutz und Eigenverantwortung.

Die Presse: Der „Spiegel“ berichtet aktuell, dass die NSA „Horchposten“ in Frankfurt und Wien unterhalten hat. Das ist nach deutschem und österreichischem Recht wahrscheinlich strafbar nach § 99 dStGB und §319 öStGB. Wird es Ermittlungen gegen die US-Regierung geben?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Zunächst ist ein entscheidender Punkt: Es gibt Standorte der NSA in Deutschland. Die Frage ist: Was machen die da? Einen Standort zu haben, an dem man sich mit Analysen befasst, aber nicht auf unsere nationalen Datenknotenpunkte oder andere Zentren zugreift, ist zulässig. Anlässlich der NSA-Affäre wurde bisher untersucht, ob die NSA auf den Frankfurter Datenknotenpunkt zugegriffen hat – und da sagen Fachexperten, dass das nicht technisch belegt ist. Der zweite Punkt ist, dass der Generalbundesanwalt mit Hinblick auf Staatsschutzdelikte einen sogenannten Beobachtungsvorgang angelegt hat – das ist eine Vorstufe strafrechtlicher Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft hat selbst zu entscheiden, wie sie damit umgeht.

Beatrix Karl: Je mehr ich meiner Kollegin zuhöre, umso mehr wird mir klar, dass wir in Österreich ganz anders mit diesem NSA-Skandal umgehen – ich vermisse Transparenz. Während sich die Innenministerin (Johanna Mikl-Leitner, ÖVP) klar geäußert hat, hat der Verteidigungsminister (Gerald Klug, SPÖ), der ja scheinbar auch Vereinbarungen mit der NSA hat, dazu nur sehr ausweichend geantwortet. Ich hätte mir erwartet, dass er klar Stellung nimmt, nicht nur die Arbeit des Geheimdienstes lobt. Wie Sie wissen, wird aufgrund eines „Presse“-Berichts von der österreichischen Staatsanwaltschaft geprüft, ob hier eine Unterstützung eines fremden militärischen Nachrichtendienstes vorliegt.

Der Vertrag, den Sie ansprechen, wurde ja offenbar 2001 erneuert – haben Sie die vorigen Verteidigungsminister auch schon danach gefragt?

Karl: Eine Datenschutzdebatte wäre in Österreich generell angebracht. Allerdings wäre es auch naiv zu glauben, dass ein Geheimdienst alles offenlegen kann.

Verschlüsseln Sie eigentlich Ihre privaten E-Mails?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich verschlüssele meine – im Moment – nicht. Die Möglichkeit gibt es ja nicht, wenn der Empfänger nicht auch verschlüsselt. In Deutschland bieten jetzt einige E-Mail-Dienste an, Mails zu verschlüsseln, weil die Nachfrage steigt. Davon werde ich auch Gebrauch machen.

Karl: Ich verschlüssele meine privaten Mails ebenfalls nicht.

Wenn Sie sagen, es gibt Telekomanbieter, die Mailverschlüsselung anbieten, heißt das doch, dass der Staat unsere Privatsphäre nicht ausreichend gewährleistet, oder?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich denke, es ist Aufgabe von Unternehmen, sich angesichts des weltweiten E-Mail-Verkehrs und der Debatte, wie sicher Daten sind, Angebote zu machen. Es kann nicht sein, dass der Staat alle Verschlüsselungen verordnet und regelt.

Karl: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass diese Debatte geführt wird und der NSA-Skandal insofern etwas Gutes hat, als Datenschutz und -sicherheit dadurch Thema geworden sind. Ich hoffe, dass es zu einem Umdenken kommt und sich Menschen Gedanken machen, wie sie ihre Daten sichern können. Wenn man zum Beispiel Social Media betrachtet, so halte ich es für wichtig, dass man nachdenkt: Was gebe ich von mir preis?

Auf EU-Ebene wird zu diesem Thema eine Reform der Datenschutzrichtlinie verhandelt. Wenn ich als Benutzer einen zehnseitigen Vertrag einer Social-Media-Plattform angezeigt bekomme, mache ich – wie viele andere auch – einfach das Häkchen und sage Okay. Wäre es nicht sinnvoller, staatlicherseits einen sicheren Mustervertrag anzubieten?

Leutheusser-Schnarrenberger: Die Datenschutzerklärungen von Konzernen zeichnen sich meistens durch einen hohen Grad von Unbestimmtheit und geringe Verständlichkeit aus. Im Rahmen der Datenschutzverordnung wird es auch Regeln für technische Voreinstellungen geben – dann entfällt schon vieles, was in diesen Erklärungen enthalten ist, weil technisch Voreinstellungen vorgegeben sind. Aber wir können es dem Bürger nicht abnehmen, sich mit bestimmten Ausführungen der Konzerne zu beschäftigen.

Das heißt, dass Datenschutz ein Minderheitenprogramm bleibt. Auch wenn Facebook seine Datenschutzerklärung von, sagen wir, zehn auf zwei Seiten schrumpft, wird der überwiegende Teil der Nutzer sie noch immer ungelesen akzeptieren.

Leutheusser-Schnarrenberger: Das wird ja nicht der Inhalt der EU-Regelung sein; die Auswirkung wird sein, dass Facebook – und alle anderen US-Konzerne auch – seine Programme wird ändern müssen, wenn es in Europa auf dem Markt bleiben will.

Karl: Unsere Verhandlungen auf EU-Ebene sind durch den NSA-Skandal beschleunigt worden. Uns ist wichtig, dass der Datenschutz in Europa nicht geschwächt wird – die hohen Standards, die wir schätzen, wollen wir auch nicht mehr hergeben. Unsere Vorstellung wäre eine Meldepflicht, wenn Unternehmen Daten europäischer Bürger an Drittstaaten weitergeben.

Was sagen Sie eigentlich zu den schikanösen Maßnahmen Großbritanniens gegen den „Guardian“ nach seinen Aufdeckerberichten zur NSA, der gezwungen wurde, Festplatten zu zerstören?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich habe mich als Erstes gefragt: Wäre das in Deutschland möglich? Ich kann nicht beurteilen, ob das nach britischen Gesetzen zulässig war, aber in Deutschland wäre es das nicht. Wir haben ein Gesetz zum Schutz der Pressefreiheit verabschiedet, nach dem es keine strafrechtlichen Ermittlungen und Sanktionen gegenüber Journalisten, die mit Whistleblowern zusammenarbeiten, geben darf.

Karl: Auch aus österreichischer Sicht wäre das in dieser Art, Gott sei Dank, nicht möglich gewesen, ich wünsche mir das auch nicht.

Aber ist es nicht ein Problem, wenn so etwas in einem EU-Staat möglich ist?

Leutheusser-Schnarrenberger: Wir haben in der EU ja keine generelle Kompetenz für Pressefreiheit – wir hatten solche Probleme ja auch schon mit Ungarn.

Sollte es dann nicht EU-Kompetenz werden?

Leutheusser-Schnarrenberger: Wir haben in der Grundrechte-Charta die Pressefreiheit als Grundrecht in der EU verankert. Aber wir brauchen im Moment nicht hinzugehen, wieder Kompetenzen auf die EU zu übertragen – das hieße auch, einen neuen EU-Vertrag aufzusetzen.

>>Teil 2 des Interviews:

"Wir wollen, dass Staatsanwälte Hausdurchsuchungen EU-weit anordnen können"

Zu den Personen

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ist deutsche Justizministerin. Die FDP-Politikerin gilt als überzeugte Datenschützerin; 1996 ist sie – damals ebenfalls Justizministerin im Kabinett von Helmut Kohl – aus Protest gegen den „Großen Lauschangriff“ zurückgetreten.

Beatrix Karl, ÖVP, folgte 2011 Claudia Bandion-Ortner als Justizministerin nach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2013)

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