Seehofer will Allmacht zurück - und Ude ruft zur Revolution

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Der CSU-Landesvater schwenkt auf alle populären Positionen ein. Der SPD bleibt nur ihr populärer Kandidat - zu wenig für einen Wechsel?

Berlin. Alle sollen sich wohlfühlen im Freistaat. Alle – nur nicht diese preußischen Journalisten. „Die müssen raus aus Bayern“, erregte sich Horst Seehofer Anfang dieser Woche über Reporter des Westdeutschen Rundfunks, die seine Landtagspräsidentin Stamm nach vier vergeblichen Anläufen etwas fordernd um ein Interview gebeten hatten. Einen „inakzeptablen“ Eingriff in die Pressefreiheit sieht der Journalistenverband in dem Ausruf. Einer der Gemaßregelten, wider Erwarten ein echter Bayer, lässt im Dialekt über das Fernsehen wissen: „Ich lass mich von niemandem aus meiner schönen Heimat vertreiben. Nicht einmal vom Ministerpräsidenten.“

Bayern ist schön, Bayern geht es gut. Kaum eine andere EU-Region steht wirtschaftlich so robust da. Ob wegen oder trotz CSU: Die Partei hat das Bundesland seit 56Jahren fest im Griff. Ihre Chefs haben sich oft genug wie absolutistische Landesfürsten gebärdet. Seit 2008 müssen die Christlichsozialen mit der FDP koalieren. Seehofer wurde dazu aus Berlin geholt.

Muskeln zeigen mit Pkw-Maut

Nach der Landtagswahl am 15.September will er wieder allein regieren können. Denn der Juniorpartner FDP läuft große Gefahr, aus dem Landtag zu fliegen. Bei 47Prozent liegt die CSU in Umfragen, das reicht für eine Mandatsmehrheit. Jetzt heißt es: nur nichts riskieren. Raue Töne gibt es nur noch gegen Störenfriede von außen. Das Kräftemessen mit der Schwesterpartei CDU hat Pause, eine Woche nach der Bayern-Wahl wird ja im Bund gewählt. Nur mit der alten und vermutlich verfassungswidrigen Forderung einer Pkw-Maut für Ausländer (also auch für Österreicher am Deutschen Eck) will Seehofer beweisen, dass ohne den Freistaat nichts geht. Die Bayern aber umarmt er alle – und erdrückt so die Opposition. Die Kunst Kanzlerin Merkels, sich dem wandelnden Volkswillen anzupassen, hat Seehofer perfektioniert.

Die erst 2007 eingeführten Studiengebühren sind unpopulär? Weg damit. Die Bürger wollen der Donau freien Lauf lassen? Die Staustufen, jahrzehntelang von der CSU gefordert, sind passé. Kinderbetreuung außer Haus galt in der CSU noch vor Kurzem als sozialistisches Teufelszeug. Nun ist sie „Drehhofer“, wie die SPD ihn spöttisch nennt, ein besonderes Anliegen: Berufstätige Eltern dürfen auf eine „Ganztagsgarantie“ für Schüler bis 14 Jahre ab 2018 hoffen – jenem Jahr, ab dem es Vollbeschäftigung geben soll. Seehofer verspricht das Blaue und das Weiße vom weiß-blauen Himmel.

Stolpersteine auf der Zielgeraden räumt er eilig aus dem Weg. Im Frühling erschütterte die „Verwandtenaffäre“ die Landespolitik. Viele Abgeordnete hatten Ehepartner, Brüder und Schwestern beschäftigt und nach einer Gesetzesänderung die Übergangsregelung recht schamlos ausgenutzt. Rückzahlungen und ein verschärftes Gesetz kühlten die Gemüter, zumal auch andere Parteien dem Nepotismus gefrönt hatten.

Und dann ist da noch Gustl Mollath. Der Mann, der möglicherweise zu Unrecht sieben Jahre lang in einer psychiatrischen Klinik festsaß, ist wieder frei, sein Fall wird vor Gericht neu aufgerollt

So viel Demobilisierung hat Christian Ude entwaffnet. Der allseits beliebte Langzeitbürgermeister von München wurde von Genossen und Medien umjubelt, als er sich vor zwei Jahren als Spitzenkandidat der SPD aufstellen ließ. Wer, wenn nicht er sollte die Revolution schaffen und das Bollwerk CSU stürmen? Doch die Euphorie ist Ernüchterung gewichen.

SPD-Chance im Dreierbündnis

Ude ist immer noch populärer als Seehofer, aber seine Partei konnte er nicht mitziehen. Auf dem Land ist die CSU kaum zu bezwingen. Auch nach zwei Monaten, in denen Ude zahllose Kühe streichelte, Berge bestieg und Krüge in Bierzelten stemmte, liegt die SPD bei schmerzlichen 18 Prozent – dem Niveau von 2008. Freilich: Mit den Grünen (15 Prozent in den Umfragen) und den Freien Wählern (acht Prozent) liegt das Lager der Revolutionären nur wenige Prozentpunkte hinter der CSU. Die Freien Wähler, die kommunal stark verwurzelt sind und dem Euro misstrauen, haben sich aber auch der CSU als Bündnispartner angeboten. Die Revolution muss wohl noch einmal verschoben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2013)

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