"Manchen Arabern ist die Lage in Syrien auch ziemlich egal"

Manchen Arabern Lage Syrien
Manchen Arabern Lage Syrien(c) EPA (KHALED EL FIQI)
  • Drucken

Vorgezogenes Treffen des notorisch streitenden Staatenbundes in Kairo zur Syrien-Frage. Interventionisten treffen auf Bremser.

Kairo. Auch sie wurden von den sich überschlagenden Ereignissen in Washington überrascht: Noch in der Nacht auf Sonntag zogen die Außenminister der Arabischen Liga ihre für Dienstag geplante Dringlichkeitssitzung zu Syrien vor und trafen sich bereits am Sonntag in Kairo. Erst vorige Woche hatte der notorisch zerstrittene Staatenbundes in seltener Einmütigkeit das syrische Regime für die Giftgasangriffe vom 21.August „voll verantwortlich“ gemacht und vom UN-Sicherheitsrat „abschreckende Maßnahmen“ gefordert „gegen alle, die dieses widerliche Verbrechen mit international geächteten Waffen begangen haben“.

Wie diese Abschreckung jedoch aussehen soll, ließen die Diplomaten offen. Darüber sind sich die 22 arabischen Nationen so uneins wie die übrige Welt. Im Blick auf Militärschläge gegen Syrien verläuft die Bruchlinie zwischen den Golfstaaten und denen Nordafrikas. Saudiarabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen den Sturz von Präsident Bashar al-Assad.

Dies würde ihren regionalen Hauptkontrahenten Iran schwächen und dessen Einfluss auf die schiitischen Araber schmälern, so das Kalkül. Und so wären die gekrönten Häupter am Golf mit Cruise-Missiles als Vergeltung für den Giftgaseinsatz einverstanden – auch wenn sie dies niemals dezidiert fordern oder öffentlich gutheißen würden.

Ägypten wieder Interventionsbremser

Die Mittelmeeranrainer von Marokko über Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten bis zum Libanon, dazu auch noch Jordanien, sind gegen ein militärisches Eingreifen. Vor allem Ägypten, das unter der Herrschaft von Präsident Mohammed Mursi eher die aggressive saudische Syrien-Politik gestützt hat, steht seit dessen Sturz und unter der neuen Führung der Militärs aufseiten der Bremser: Denn die neuen Machthaber verdächtigen die sunnitischen Islamisten in Syrien der Komplizenschaft mit den entmachteten Muslimbrüdern am Nil, die inzwischen pauschal als Terroristen gelten. Werde Assad gestürzt, käme wahrscheinlich ein Regime an die Macht, das noch islamistischer wäre als jenes, das in Ägypten gerade abgesetzt wurde, argumentiert man in Kairos Außenamt.

Rechtsgelehrte gegen US-Einmischung

„Die arabischen Nationen sind schwach und völlig absorbiert von ihren eigenen Problemen. Manchen ist die Lage in Syrien auch ziemlich egal“, meint Abdelkhaleq Abdallah, Politikwissenschaftler an der Universität der Vereinigten Arabischen Emirate in Abu Dhabi. Nach seiner Einschätzung ist die Haltung der Araber widersprüchlich und zwiespältig. Einerseits seien die Menschen wütend auf die internationale Gemeinschaft, weil sie das syrische Volk im Stich gelassen habe. Andererseits wären sie empört, sollte wieder ein arabisches Land ohne Autorisierung der UN attackiert werden.

Die al-Azhar, die höchste sunnitische Lehranstalt der Region, erließ am Sonntag eine „kategorische Zurückweisung und Verurteilung der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, mit Militärschlägen Präsident Assad für den angeblichen Giftgasbeschuss zu bestrafen“. Das wäre „ein Angriff gegen die gesamte arabische und islamische Welt“, befanden die Rechtsprofessoren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.