„In Vukovar gilt nicht das Gesetz des Dschungels“

Vukovar
Vukovar(c) REUTERS (ANTONIO BRONIC)
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Kroatiens Premier wirft der Opposition vor, den Streit um zweisprachige Amtsschilder angeheizt zu haben.

Belgrad/Vukovar. Die Worte des kroatischen Premiers Zoran Milanović waren deutlich. „Vukovar ist eine kroatische Stadt, in der kroatische Gesetze gelten und nicht das Gesetz des Dschungels“, sagte der Sozialdemokrat am Mittwoch in einem Radiointerview. Milanović machte die Oppositionspartei HDZ verantwortlich für die jüngsten Unruhen in der Stadt im Osten des Landes: „Ich kann nicht behaupten, dass die HDZ die Menschen mit Hämmern auf die Tafeln und die Polizisten losgehen ließ. Aber ihre Verantwortung ist enorm.“

Seit am Montag unter Polizeischutz die ersten zweisprachigen Amtstafeln mit serbisch-kyrillischen Lettern am Eingang der Polizeiwache und anderer Ämter montiert worden sind, herrscht in Vukovar Ausnahmezustand. „Kyrillisch“ sei im Kroatien-Krieg durch serbische Panzer in die 1991 völlig zerstörte Stadt gelangt, erregte sich Tomislav Josić, Präsident des „Hauptquartiers für die Verteidigung des kroatischen Vukovar“. Und nun komme das Kyrillische „auf Lastwagen und mit starken Polizeikräften“ zurück. Die Schilder seien für alle Opfer des Krieges eine „Erniedrigung“.

Seine Mitstreiter – vor allem Kriegsveteranen – zerschlugen mit Hämmern die ersten angebrachten Amtsschilder mit den verhassten Schriftzeichen. Vier Polizisten wurden verletzt, mehrere Demonstranten zeitweise festgenommen. Am Dienstag entsandte Kroatiens Innenministerium ein verstärktes Polizeikontingent – und ließ an mehreren Ämtern neue zweisprachige Schilder installieren. Für Mittwoch waren neue Proteste angekündigt.

Regierung beruft sich auf Verfassung

Es sind die kaum vernarbten Wunden des Kroatien-Krieges (1991–1995), die den Schilderstreit eskalieren ließen. Schon seit Monaten laufen die Veteranenverbände gegen das Vorhaben der Regierung Sturm, ausgerechnet in Vukovar die Schilder mit kyrillischen Schriftzeichen zu montieren. Vukovar ist im Krieg von serbischen Einheiten belagert und mit Artillerie beschossen worden und gilt in Kroatien als Symbol des „nationalen Selbstbehauptungswillens“.

Die Mitte-links-Regierung in Zagreb beruft sich derweil auf die Verfassung – und die Ergebnisse der Volkszählung von 2011, die erst im Dezember veröffentlicht worden sind. Ihnen zufolge ist der Anteil der Serben an der stark geschrumpften Bevölkerung der Stadt von knapp unter auf knapp über ein Drittel geklettert: Der Minderheit steht damit laut Verfassung das Recht auf zweisprachige Beschilderung zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2013)

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