Echelon: Die Ursünde der US-Spione

Echelon Ursuende USSpione
Echelon Ursuende USSpione(c) Reuters
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Internet-Überwachung. Europaparlament startet Untersuchung der Spionageaktivitäten von NSA. Auf der Agenda steht auch das altbekannte Abhörprogramm Echelon.

Brüssel. Die von Edward Snowden enthüllte Kontrolle des globalen Internet-Datenverkehrs durch US-amerikanische und britische Geheimdienste – die Codenamen dazu lauten Prism und Tempora – gilt als eine der umfassendsten Spionageoperationen in der Geschichte. Insofern hätte man davon ausgehen können, dass der Untersuchungsausschuss des Europaparlaments zur elektronischen Überwachung der EU-Bürger, der am Donnerstag seine Arbeit aufnahm, mit den beiden Geheimprogrammen ohnehin genug zu tun haben wird. Doch die Europaabgeordneten wollten es nicht bei Prism und Tempora belassen. Auf der Agenda der gestrigen Sitzung stand nämlich auch eine Spionageaffäre, die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt: Echelon.

Hinter diesem Decknamen verbirgt sich ein weitverzweigtes Netz von Abhörstationen, das der US-Geheimdienst NSA gemeinsam mit Partnern in Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland seit den 1970er-Jahren betreibt. Das System fängt Telefongespräche ab, die über Satellit geleitet werden – Snowdens Enthüllungen bezogen sich auf das Anzapfen von Glasfaserleitungen. Echelon war schon einmal Gegenstand einer Untersuchung durch das Europaparlament. Wie der Zufall so wollte, wurden die Ergebnisse der Untersuchung just am 5.September 2001 präsentiert – sechs Tage vor den Anschlägen vom 11. September. Nach 9/11 geriet die Causa in Vergessenheit.

Für den deutschen EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht, der im Untersuchungsausschuss die grüne Fraktion vertritt, stellt Echelon so etwas wie die Ursünde dar: Damit hätten die US-Spione einen „Paradigmenwechsel“ hin zur „Überwachung ins Blaue hinein“ vollzogen, sagte Albrecht am Donnerstag wenige Stunden vor Beginn der Ausschusssitzung. „Die Grundherangehensweise von Programmen wie Echelon ist zu hinterfragen.“

Konsequenzen für Datenaustausch

Die Arbeit des Ausschusses basiert auf einer parlamentarischen Resolution vom 4. Juli. Darin wurde dem Gremium der Auftrag erteilt, alle relevanten Informationen zur Überwachung der EU-Staatsbürger durch US-Behörden bzw. „bestimmte Mitgliedstaaten“ (damit ist vor allem Großbritannien gemeint) zu sammeln und zu bewerten sowie geeignete Gegenmaßnahmen zu überlegen – was Konsequenzen für den Datenaustausch mit den USA haben könnte. Derzeit liefert Europa Daten von transatlantischen Flugpassagieren an die USA ab, im Rahmen des Swift-Abkommens werden Informationen über Finanztransaktionen weitergegeben.

Negative Folgen haben unter Umständen auch US-Unternehmen zu befürchten, die im Rahmen des sogenannten Safe-Harbour-Abkommens personenbezogene Daten aus der EU in den USA verarbeiten – wo sie dann vom NSA auf Basis amerikanischer Gesetzgebung durchleuchtet werden. Sollte dieses Abkommen aufgekündigt werden, müssten Konzerne wie Facebook die Geschäftsmodelle überdenken und ihre Serverfarmen nach Europa verlegen. Die anhaltende Debatte um eine neue EU-Datenschutzverordnung – die aktuelle Fassung stammt aus dem Prä-Internet-Zeitalter – wird von der Spionageaffäre allerdings nur marginal berührt, denn diese regelt primär das Verhältnis zwischen Privatpersonen und Unternehmen und nicht die Befugnisse der Geheimdienste.

Der Untersuchungsausschuss will seine Schlussfolgerungen im Dezember vorlegen – bis dahin wird nahezu jede Woche getagt. Bahnbrechende Erkenntnisse sind allerdings nicht zu erwarten, denn die Europaabgeordneten haben nicht das Recht, Zeugen vorzuladen, und sind daher auf den guten Willen aller Beteiligten angewiesen.

Willig zeigte sich Alan Rusbridger, Chefredakteur des britischen „Guardian“, der Edward Snowdens Enthüllungen veröffentlichte – und daraufhin von der britischen Regierung unter Druck gesetzt wurde. Derart umfassende Überwachung durch Staaten in Zusammenarbeit mit Unternehmen könne nur mit demokratischer Legitimation erfolgen, sagte Rusbridger, der gestern per Videokonferenz zugeschaltet war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2013)

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