Australien: Geheimwaffe Rudd zündete nicht

Australian PM Rudd reacts as he talks to the media during his election campaign in Sydney
Australian PM Rudd reacts as he talks to the media during his election campaign in SydneyREUTERS
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Die regierende Labour-Partei holte ihren Ex-Premier zurück, um die Stimmung noch zu drehen. Letzte Umfragen sahen aber weiter den Konservativen Tony Abbott vorn.

Wien/Canberra/Ag./Hd. Es war eine Verzweiflungstat, und das war so offensichtlich, dass sich Australiens Labour Party nicht einmal die Mühe machte, es zu verschleiern: Denn wenn man zweieinhalb Monate vor der heute, Samstag, stattfindenden Parlamentswahl die Parteichefin, gleichzeitig Premierministerin und natürliche Spitzenkandidatin sozusagen ins Outback schickt, müssen die Nerven schon gehörig blank liegen.

Die Australier sind nie wirklich warm geworden mit ihrer Regierungschefin Julia Gillard, der sie auch 2010 keinen echten Sieg beschert hatten, und nachdem sich dieses Misstrauen nachhaltig in den Umfragen manifestiert hatte, zog die Partei die Notbremse, stürzte Gillard und setzte an ihre Stelle Kevin Rudd. Ironie der Geschichte: Gillard selbst war es gewesen, die Rudd 2010 in einer parteiinternen Revolte gestürzt hatte (dem Rivalen aber dann immerhin das Außenministerium überließ).

Nun konnte Rudd Rache nehmen. Seit 27. Juni führt er wieder Labour und die Regierung, doch das Ruder herumreißen konnte er dennoch nicht: „Letzte Umfragen bestätigen Ausradierung Labours“, titelte der „Sydney Morning Herald“ am Freitag. Überall liegt das Rechtsbündnis des Konservativen Tony Abbott deutlich vorn, was sich im Endeffekt im Gewinn von 87 der 150 Sitze niederschlagen könnte, während Labour nur auf etwa 60 kommen dürfte.

50 weitere Parteien treten zur Wahl an, darunter auch die WikiLeaks-Partei des Internet-Enthüllungsgurus Julian Assange (siehe Artikel unten). Bei der vergangenen Wahl 2010 haben sie so viele Sitze gewonnen, dass trotz des Mehrheitswahlrechts erstmals seit 1940 ein sogenanntes Hung Parliament herauskam: Keine der beiden großen Parteien hatte eine Mehrheit aus eigener Kraft. Julia Gillard musste damals eine Minderheitsregierung bilden.

„Stimme nicht verschwenden“

Oppositionsführer Abbott rief die Wähler denn auch wortwörtlich dazu auf, ihre Stimme nicht an die diversen Kleinparteien zu verschwenden: „Ja, sie sind möglicherweise lustig. Sie sind möglicherweise anders. Aber sie werden unser Land und unsere Regierung beschädigen, wenn sie dieselbe Rolle im künftigen Parlament spielen, die sie im bisherigen spielten.“

Abbott vertritt eine klassisch konservative Politik: Er verficht einen schlanken Staat, Einsparungen bei Sozialprogrammen (etwa in der Kinder- und Altenbetreuung), dafür will er in den Straßenbau investieren. Drastisch gekürzt sollen auch die Mittel für die Entwicklungshilfe werden. Für Verwirrung sorgte die Partei mit ihrer im Wahlkampffinale ventilierten Forderung, das Internet in Bezug auf gewisse nur für Erwachsene geeignete Inhalte zu filtern. Abbott selbst musste sich noch am Donnerstag davon distanzieren.

Der fließend Mandarin sprechende Rudd wiederum, der mit seinen intellektuellen Kapazitäten nicht hinterm Berg hält, trotzdem aber nicht als abgehoben wahrgenommen wird und beim Wahlvolk als Person beliebt ist (im Gegensatz zu seiner Partei), setzte im Finale auf den Slogan „Jobs, mehr Jobs, noch mehr Jobs“, einen Ausbau des Gesundheitssektors und vor allem – sein großes Thema – ein „erstklassiges Breitband-Internet“ für ganz Australien. Zudem betonte der Premier, dass Australien mit immerhin 2,6 Prozent Wirtschaftswachstum (zuletzt allerdings fallend) und nur 5,5 Prozent Arbeitslosigkeit (zuletzt allerdings steigend) ganz gut durch die Krise gekommen sei, selbstredend dank der Labour-Regierungen.

Auch Syrien brachte keine Wende

Bei einem in Australien besonders sensiblen Thema waren die Unterschiede der Parteien jedoch marginal: Wenn es um Einwanderung geht, kann es keiner Seite restriktiv genug sein. Rudd provozierte im Juli einen Aufschrei unter Hilfsorganisationen, als er die neue Regierungspolitik verkündete, wonach Boat People künftig zur Überprüfung ihres Status nach Papua-Neuguinea gebracht werden sollen, wo sie im Fall eines positiven Bescheids bleiben sollen.

Abbott hingegen will den Kampf gegen das Schlepperunwesen in die Hand des Militärs legen und auch anerkannten Flüchtlingen nur temporäre Visa geben.

Die Syrien-Krise gab Rudd in letzter Minute noch einmal die Chance, seinen größten Trumpf auszuspielen: seine außenpolitische Expertise. Ein lanciertes Bild, dass ihn im Jogging-Anzug beim Telefonat mit US-Präsident Barack Obama zeigt, sollte die Message vermitteln: Rudd ist zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit. Doch so, wie es aussah, konnten auch diese Bilder der anhaltenden Wechselstimmung nichts entgegensetzen.

Auf einen Blick

Australiens Konservative dürften die Parlamentswahl am heutigen Samstag laut allen Umfragen gewinnen. Damit würde ihr Parteichef Tony Abbott nächster Premier. Die seit 2007 regierende Labour Party versuchte, das Blatt zu wenden, indem sie im Juli den in der Bevölkerung beliebten Ex-Premier Kevin Rudd zurückholte.

Das australische Wahlrecht ist relativ kompliziert. Es basiert auf einem Mehrheitswahlrecht, das durch ein „Präferenzsystem“ abgemildert ist. Wähler können eine Präferenzliste erstellen, dies aber auch an ihre erstgereihte Partei abtreten. So können Parteien Absprachen treffen und einander gegenseitig unterstützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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