Obamas außenpolitische Einflüsterer

Obamas aussenpolitische Einfluesterer
Obamas aussenpolitische Einfluesterer(c) EPA (JASON SZENES)
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Denis McDonough, Susan Rice, Benjamin Rhodes und Samantha Power sind die wichtigsten Berater von Barack Obama in Fragen der Weltpolitik. Strategen vom Schlag eines Kissingers hat dieses Weiße Haus allerdings keine.

Ihr Blick auf die Welt wurde in den Massengräbern von Bosnien und Ruanda geprägt, im Angesicht der einstürzenden Türme des World Trade Centers und im Zorn über einen amerikanischen Krieg, der nicht und nicht zu enden schien. Sie haben ihre Kanten in Oxford und Georgetown geschärft, auf dem Kapitolshügel und im Weltsicherheitsrat. Vietnam ist für sie nur eine Geschichte aus fernen Zeiten. Denis McDonough, Benjamin Rhodes, Susan Rice und Samantha Power sind der innere Kreis von Barack Obamas Außenpolitikern: die Vertrauten, mit denen der US-Präsident in diesen Tagen auslotet, ob und wie er den ersten Krieg seiner Amtszeit führen soll.

Strategische Kapazunder sind sie aber allesamt nicht. Kein Brzezinski, Scowcroft oder Kissinger steht diesem Präsidenten bei schweren Fragen zur Seite. Die großen Richtungsfragen sind hier Chefsache. „Obama ist das außenpolitische Hirn im Weißen Haus“, sagt James Mann von der Johns Hopkins School of Advanced International Studies zur „Presse am Sonntag“.

Mann hat in seinem Buch „The Obamians“ den Aufstieg dieser Generation amerikanischer Außenpolitiker ins Präsidentenkabinett geschildert. „Die Obamianer wussten tendenziell weniger über die Nuancen und Feinheiten eines Themas, und sie waren weniger von den praktischen Details des Regierens beschwert“, schreibt er.

Der oberste Obamianer ist Kabinettschef Denis McDonough. Der 43-Jährige lernte das politische Handwerk nach einem Post-Graduate-Studium in Georgetown im Büro des demokratischen Senators Tom Daschle. Von dort führte der Weg 2007 ins Wahlkampfteam von Barack Obama. Nach dem 11. September 2001 führte McDonough für die Demokraten im Senat die Verhandlungen mit dem Weißen Haus unter George W. Bush über die Antwort Amerikas an al-Qaida. Der „Krieg gegen den Terror“ hatte begonnen – und McDonough gestand später, dass die Demokraten dem Präsidenten bei den unüberlegten Kriegsvorbereitungen allzu freie Hand gelassen hätten.


Macher und Träumer.
„McDonough ist der Macher, Benjamin Rhodes ist der Mann für Ideen und Strategien“, sagt James Mann. Rhodes war 23, als die beiden Flugzeuge im World Trade Center einschlugen. Den ersten Turm sah er vom anderen Ufer des East River fallen. Hatte er bis dahin eher planlos in den Tag hineingelebt und von einer Karriere im New Yorker Literaturbetrieb geträumt, änderte 9/11 seine Weltsicht. Rhodes wollte sich nützlich machen.

Der soignierte demokratische Außenpolitiker Lee Hamilton nahm ihn als Assistenten in die 9/11-Untersuchungskommission und die „Iraq Study Group“ mit, die für den Kongress den Irak-Krieg analysierte. Als Obama 2007 an einem Gesetzesvorschlag tüftelte, der den Abzug der US-Truppen aus dem Irak beabsichtigt hätte, zog er Rhodes' Rat bei. Obamas neu bestellter Büroleiter war Denis McDonough. Ihre Freundschaft sollte sie binnen zwei Jahren in das Weiße Haus führen.

Dort ist Rhodes heute Stellvertreter von Susan Rice, der Beraterin für nationale Sicherheit. Die 49-Jährige entstammt dem politischen Adel Washingtons; ihre Mutter war eine gute Freundin von Madeleine Albright, der Außenministerin Bill Clintons. In Oxford dissertierte sie über Friedenserhaltung in Simbabwe. Albright holte sie für Afrika-Fragen in ihr Kabinett. Vor ihrer Berufung in das Weiße Haus war Rice UN-Botschafterin der USA. Obama hätte sie gern als Außenministerin gesehen. Doch ihre ungeschickten TV-Auftritte nach dem Terrorangriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi im September 2012, die sie vor laufenden Kameras nicht ganz wahrheitsgetreu darstellte, machten Rice zur Hassfigur der Republikaner. So bekam Kerry das Außenamt – und bleibt, wie das Hin und Her um einen Syrien-Angriff zeigt, ein Fremdkörper.

Rice' Nachfolgerin auf dem New Yorker Botschafterposten ist Samantha Power. Die 42-Jährige war Kriegsberichterstatterin in Bosnien. Ihren Zorn über das lange Ausbleiben eines amerikanischen Eingreifens verarbeitete sie 2003 im Buch „A Problem from Hell“. Der frisch gewählte Senator Obama las das Buch und war beeindruckt. Er überzeugte Power, für ihn zu arbeiten. Nach seinem Wahlsieg 2008 wurde sie im Weißen Haus seine Beraterin in Menschenrechtsfragen.

Doch trotz all dieser Expertise: Die strategischen Fragen entscheidet Obama allein, sagt Charles Kupchan, Professor für Internationale Beziehungen an der Georgetown University, zur „Presse am Sonntag“. „Er ist auf eine Weise unmittelbar mit der Gestaltung amerikanischer Staatskunst befasst, die ziemlich ungewöhnlich ist. Zumal er nicht viel Erfahrung dafür ins Amt mitgebracht hat.“ Der Präsident misstraut Washingtons Kabalen und schottet sich gegen Zurufe von außen ab. Erklärt das seine späte syrische Kehrtwende? „Meine Spekulation ist, dass er dafür war, auf den Giftgaseinsatz zu reagieren, aber feststellen musste, dass er im Ausland und daheim weniger Unterstützung dafür hatte als erhofft“, sagt Kupchan.

Der Giftgaseinsatz durch Bashar al-Assads Truppen habe Obama zutiefst verwirrt, erklärt Mann. „Seit seiner Zeit im College ist nukleare Abrüstung sein größtes außenpolitisches Thema. Da kann er schwer sagen: ,Oh, in Syrien geht es nur um Chemiewaffen. Deren Einsatz ist ja viel wahrscheinlicher als der von Atomwaffen.‘“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2013)

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