Die Bayern sagen die Revolution ab

CSU-Chef Seehofer
CSU-Chef Seehofer(c) REUTERS (MICHAELA REHLE)
  • Drucken

CSU-Chef Seehofer könnte am Sonntag die absolute Mandatsmehrheit zurückgewinnen. Fliegt die FDP aus dem Landtag, gerät aber Merkels Union in Bedrängnis.

München. Horst Seehofer nennt Bayern gern die „Vorstufe zum Paradies“. Einmal musste der Ministerpräsident von einem Bischof hören, dass diese Vorstufe theologisch genau genommen das Fegefeuer ist. Aber der Landesvater, ein rechter Dickschädel, ließ sich bestätigen: Ein direkter Weg in den Himmel ist möglich. Der Bischof habe die zwingende Etappe im Fegefeuer wohl auf ihn, den CSU-Politiker, bezogen: „Und da kann er recht haben.“ Wenn Bayern im Bierzelt so etwas hören, dann klopfen sie sich auf die Schenkel, stoßen mit Maßkrügen an und bestätigen einander: „A Hund is er scho, der Seehofer“ – das höchste Lob aus bayerischem Mund.

Vor fünf Jahren eilte der damalige Bundesminister aus Berlin zu Hilfe. Die Staatspartei CSU war entzaubert worden: Absturz auf 43 Prozent, eine schmachvolle Koalition mit der FDP. Ein Kulturschock für die einen, endlich normale Verhältnisse für die anderen. Einen Tag vor der Landtagswahl scheint die weiß-blaue Welt der Christlichsozialen wieder in Ordnung. Zwar sieht keine Umfrage sie wieder bei über 50 Prozent. Aber wegen vieler Kleinparteien, die an der Fünfprozenthürde scheitern dürften, ist eine absolute Mandatsmehrheit trotzdem realistisch.

Es fehlen große Skandale

Seehofer gibt sich volksnah, als Kämpfer für bayerische Interessen in Berlin. Er schaut den Bayern aufs Maul, und wenn die ihre Meinung ändern, tut er das auch. Der „Wendehals Drehhofer“ will den Spott gar nicht entkräften: Die Bayern hätten oft „die Seite gewechselt. In historischen Büchern wird das als Weitsicht gepriesen.“ Dieser geschmeidige Populismus verhindert, zusammen mit der brummenden Wirtschaft, wenigen Arbeitslosen und dem ersten Platz in bundesweiten Bildungs-Rankings, die „Revolution“, zu der Christian Ude seine SPD angestachelt hat.

Der hoch geschätzte Langzeitbürgermeister von München wollte sein Lebenswerk mit einem Machtwechsel im Maximilaneum krönen. Daraus wird wohl nichts: Die Sozialdemokraten liegen wieder nur bei 18 Prozent, die Grünen als Wunschpartner bei zwölf.

Es fehlen ganz große Skandale, die die demokratische Legitimität einer allzu mächtigen CSU erschüttern könnten. Dass die Landebank mit der Hypo Alpe Adria Milliarden in den Sand gesetzt hat, haben die Bayern mittlerweile verkraftet. Die jüngste „Verwandtenaffäre“ – viele Landtagsabgeordnete hatten ihren Familienangehörigen Jobs verschafft – betraf auch die Opposition. Zwar hat Ude die Zusage der Freien Wähler. Aber auch sie liegen nur bei acht Prozent. Ihr bodenständiger Anführer, Hubert Aiwanger, wettert gern gegen den Hochmut der Mächtigen, bietet sich aber auch Seehofer als Königsmacher an. Dieses Bündnis wäre logischer, denn die Klientel der kommunal verwurzelten Partei ist Fleisch vom Fleisch der CSU.

Die Wahl gibt die Richtung für den nationalen Urnengang am Sonntag darauf vor. Aber eine „Absolute“ ihrer Schwesterpartei kann für Merkels CDU auch zum Problem werden, wenn sie mit der Niederlage der FDP erkauft ist. Fliegt sie aus dem Landtag, was die Umfragen nahelegen, droht ein Leihstimmeneffekt: Merkel-Anhänger würden taktisch die Liberalen wählen, um Schwarz-Gelb im Bund zu sichern. Wie überdosiert diese Hilfe ausfallen kann, haben die fast zehn FDP-Prozent in Niedersachsen im Jänner gezeigt.

Kräftemessen um Pkw-Maut

Das könnte Merkel in der Zielgerade arg schwächen. An ihrer Seite stünde dann ein Landesvater, der vor lauter Kraft kaum noch gehen kann. Schon im Wahlkampf haut Seehofer auf den Tisch und fordert ultimativ eine Pkw-Maut nur für Ausländer. Das würde Brüssel nicht zulassen. Also schlägt er vor, die Deutschen sollen durch das Zahlen der Kfz-Steuer schon eine Vignette erwerben. Weil so das Diskriminierungsverbot nur umgangen würde, halten Juristen auch diese Variante für nicht umsetzbar.

Die Kanzlerin legte sich im TV-Duell fest: Mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben. Wenige Tage später knickte Merkel schon halb ein: Man werde eine gemeinsame Lösung finden. Die Bayern, bei denen das Thema ungemein populär ist, jubeln: „Mia san mia.“ Und Seehofer jubelt mit den Seinen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.