Syrien muss Giftgasbestände in einer Woche melden

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Die Abrüstung der syrischen Chemiewaffen muss bis Mitte 2014 abgeschlossen sein.

Für Syrien tickt die Uhr: Das Regime in Damaskus muss seine Giftgasbestände bis kommenden Samstag komplett offenlegen. In den nächsten Monaten sollen alle Chemiewaffen aus dem Bürgerkriegsland gebracht und zerstört werden. Darauf einigten sich US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow in Genf. Trotz aller technischen Probleme soll die Abrüstung der syrischen C-Waffen bereits Mitte 2014 abgeschlossen sein. Will Syrien nicht mitmachen, hält sich Washington militärische Optionen offen.

US-Präsident Barack Obama lobte am Sonntag ausdrücklich den Einsatz seines russischen Kollegen Wladimir Putin. In einem Interview des Senders ABC wies er darauf hin, dass Putin den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad weiterhin schütze. Aber hier gehe es nicht um Russland gegen die USA: "Dies ist nicht der Kalte Krieg."

An diesem Montag wird der Bericht der UN-Inspekteure zum Giftgaseinsatz in Syrien erwartet. Kerry informierte am Sonntag bei einem Kurzbesuch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu über die Einzelheiten des Abrüstungsplans. Dabei drohte er Syrien weiter mit einem Militärschlag, sollte es den von Russland und den USA vereinbarten Abrüstungsplan nicht umsetzen. "Wir nehmen keine Option vom Tisch", betonte Kerry nach dem Treffen mit Netanyahu. An diesem Montag trifft Kerry sich in Paris mit den Außenministern Großbritanniens und Frankreichs.

Der syrische Minister für nationale Aussöhnung, Ali Haidar, wertete die Vereinbarung als "Sieg für Syrien, der dank unseren russischen Freunde erzielt wurde". Mit ihr sei ein Krieg in der Region verhindert worden, sagte er der russischen Agentur RIA Novosti "Einerseits wird sie den Syrern helfen, die Krise zu überwinden, andererseits hat sie einen Krieg gegen Syrien verhindert und denen, die diesen Krieg entfesseln wollten, den Anlass dazu genommen."

International wurde der Plan begrüßt. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Großbritanniens Außenminister William Hague begrüßten die Genfer Verständigung. Auch China äußerte sich positiv. Syriens Rebellen wollen die Vereinbarung dagegen ignorieren. Kritik kam auch aus den USA. Regierungskritische US-Senatoren sprachen vom "Beginn einer diplomatischen Sackgasse".

Die russisch-amerikanische Initiative sieht vor, dass Inspekteure der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) spätestens Mitte November in Syrien mit ihrer Kontrolltätigkeit beginnen. Sie sollen auch Vorbereitungen für den Abtransport der Waffen treffen.

Kerry betonte nach der Einigung von Genf, die Welt erwarte von Assad, seine Zusage der Vernichtung seiner Giftgasarsenale umgehend zu erfüllen: "Es gibt keinen Raum für Spielchen oder Vermeidung, es kann nur die volle Befolgung durch das Assad-Regime geben."

Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte bei einem Besuch in Peking, die Vereinbarung sei ein "erster Schritt", werfe aber auch eine ganze Reihe von Fragen auf. So sei unklar, wie die Kontrollen ablaufen sollten und was bei Verstößen passieren solle.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer sehr guten Nachricht. Sie sei sehr froh, "dass wir ein Stück Hoffnung sehen". Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton appellierte an den Sicherheitsrat, sich rasch auf eine Resolution zu einigen, die dem Verfahren weitere Autorität verleihe.

Auch mit der neuen Vereinbarung ist ein Militärschlag gegen Syrien nicht vom Tisch: Obama droht weiterhin mit einem Angriff, falls Syrien nicht mitspiele. Die USA behalten ihre militärischen Kapazitäten dazu in der Region aufrecht. Allerdings gilt ein Militärschlag jetzt als sehr unwahrscheinlich.

Umstritten ist, ob die Vereinbarung bereits einen Weg zu einem Angriff für den Fall aufzeigt, dass Syrien seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Denn in der Vereinbarung heißt es, der UN-Sicherheitsrat solle bei Verstößen "Maßnahmen unter Kapitel VII der UN-Charta verhängen". Dieses erlaubt als letztes Mittel Gewalt.

Russlands Außenminister Lawrow stellte aber klar, dass allein mit der Genfer Vereinbarung keine automatische Gewaltanwendung gegen Syrien gerechtfertigt werden könne. In der Vereinbarung seien "natürlich weder Gewalt noch automatische Sanktionen erwähnt", sagte Lawrow. "Jedwede Zuwiderhandlung muss vor dem UN-Sicherheitsrat überzeugend und eindeutig bewiesen werden." Russland gehört dort zu den fünf Veto-Mächten und könnte jede Resolution verhindern, die ein militärisches Eingreifen in Syrien völkerrechtlich zulassen würde.

An diesem Punkt entzündet sich in den USA Kritik. Die Senatoren John McCain und Lindsey Graham erklärten, Damaskus werde die Vereinbarung nutzen, um Zeit zu schinden. Ohne Resolution des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der UN-Charta sei die Übereinkunft bedeutungslos und "der Beginn einer diplomatischen Sackgasse".

Die oppositionelle Freie Syrische Armee, die Medienberichten zufolge inzwischen von den USA Waffen bekommt, lehnte die Genfer Vereinbarung rundum ab. "Wir werden den Vorschlag vollständig ignorieren und weiterkämpfen bis zum Sturz des Regimes", sagte der FSA-Generalstabschef Salim Idriss in Istanbul.

In Syrien rüsten unterdessen die radikalislamischen Kämpfer auf. In den vergangenen zwei Wochen seien 1.500 ausländische Kämpfer ins Land gekommen, hieß es aus Islamistenkreisen. Dort wird an vielen Fronten gekämpft - mehr als 100.000 Menschen verloren bisher ihr Leben. Mehr als vier Millionen Menschen sind laut der UN im Land auf der Flucht.

Die zerstrittene syrische Oppositionsplattform Syrische Nationale Koalition wählte am Samstag in Istanbul eine neue Führung. Ministerpräsident für eine Regierung der Rebellengebiete soll nun der als gemäßigt geltende Islamist Ahmad Tumeh al-Khader werden.

(APA/dpa/AFP)

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