Rebellen: "Zur Hölle mit dem Kerry-Lawrow-Plan"

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Rebellen Hoelle KerryLawrowPlan(c) REUTERS (NOUR KELZE)
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International stieß Abrüstungsinitiative auf Zustimmung. Im Rebellenlager dominiert Enttäuschung, auch darüber, dass die Verantwortlichen des Giftgas-Massakers nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Damaskus/Beirut/Ag. Unbeeindruckt von der russisch-amerikanischen Einigung in der Syrienkrise stiegen am Sonntag die Kampfjets der syrischen Streitkräfte auf, um die Bombardierung der Rebellen-Stellungen in den Vorstädten der Hauptstadt Damaskus fortzusetzen. Wie zum Hohn erklärte just Syriens Minister für nationale Aussöhnung, Ali Haidar, den Deal zu einem Sieg des Assad-Regimes dank der „russischen Freunde“.

Der Minister teilt die Sichtweise im Übrigen mit den Rebellen, die insbesondere nicht gut auf den US-Präsidenten zu sprechen sind. Sie fühlen sich im Stich gelassen und schworen, ihren Kampf weiterzuführen. „Zur Hölle mit dem Kerry-Lawrow-Plan“, sagte ein Sprecher des Obersten Militärrats. „Wir lehnen ihn ab, und wir werden die Inspektoren auch nicht schützen oder nach Syrien hineinlassen.“

Der Chef der Liwa Al-Tahid-Brigade in Aleppo schimpfte lauthals: „Die USA haben der Welt gesagt, dass sie Syrien angreifen würden. Dann, als die Zeit gekommen war, haben sie den Schwanz eingezogen.“ Und ein Rebell wirft verärgert ein: „Obama ist ein Lügner.“

Im Rebellenlager dominiert allerorts die Enttäuschung – auch darüber, dass jetzt nicht mehr die Rede davon sei, die Verantwortlichen des Giftgas-Massakers vom 21. August zur Rechenschaft zu ziehen, wie General Selim Idriss moniert, der Chef des Militärrats.

Während in Genf US-Außenminister John Kerry und sein russischer Widerpart Sergej Lawrow einen Kompromiss im Machtpoker um die Übergabe des Chemiewaffen-Arsenals des Assad-Regimes erzielten, wählte die zerstrittene syrische Exil-Opposition am Wochenende in Istanbul mit großer Mehrheit einen neuen Übergangspremier. Im Juli war Ghassan Hitto zurückgetreten, der der Muslimbruderschaft nahe stand. Seither herrschte ein Vakuum an der Spitze. Seine Nachfolge trat nun Ahmad Tumeh, ein 48-jähriger moderater Islamist, an. Die Opposition hofft auf eine höhere Glaubwürdigkeit durch die neue Führung.

Wie zersplittert indessen die Rebellen-Bewegung ist, beweist der Appell Ayman al-Zawahiris. Der ägyptische Arzt, der nach dem Tod Osama bin Ladens das Kommando des Terrornetzwerks al-Qaida übernommen hat, warnte die Extremisten und ihre Sympathisanten im syrischen Bürgerkrieg davor, gemeinsame Sache mit anderen Rebellengruppen zu machen.

Atomstreit mit Iran Priorität

Auf internationaler Ebene stieß die Abrüstungsinitiative durchwegs auf Zustimmung – bis hin zum Iran und zu China. US-Präsident Barack Obama stellte freilich klar, dass eine militärische Option keineswegs vom Tisch sei. Die US-Flottenverbände bleiben als Drohkulisse im Mittelmeer. Obama rückte überdies die Relationen zurecht: Die Atomfrage mit dem Iran habe Priorität gegenüber Syrien, versicherte er in einem Interview.

Bei einer Stippvisite in Jerusalem verteidigte US-Außenminister John Kerry den mehrstufigen Plan. Er reiste anschließend weiter nach Paris, wo er sich am Montag mit den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und Saudiarabiens abstimmen wollte. In New York schickte sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon an, den Bericht der Waffeninspektoren zu präsentieren.

Obama handelte sich – gewohnheitsmäßig – die Kritik der republikanischen Senatoren John McCain und Lindsey Graham ein, die für eine umfassende US-Intervention in Syrien eintreten. Sie legten die offenen Punkte des Deals bloß. Ungeklärt blieben nicht nur die Sanktionen für das Assad-Regime, auch die Modalitäten der Zerstörung des Chemiewaffen-Arsenals im Ausland und die Arbeit der Inspektoren bei einem tobenden Krieg gaben Rätsel auf.

Auf einen Blick

Der Genfer Plan sieht vor, dass das syrische Regime all seine Chemiewaffen bis Mitte 2014 außerhalb des Landes bringt und dort zerstören lässt. Bereits innerhalb einer Woche muss Damaskus seine Giftgas-Bestände auflisten. International wurde der Plan begrüßt. Allerdings lehnte die syrische Opposition ihn als Alibihandlung ab. Israel reagierte zurückhaltend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2013)

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